An der Universität Potsdam diskutierte der israelische Botschafter Ron Prosor letzte Woche über das Thema „Deutschland und Israel – wie weiter?”. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft wollte zusammen mit der Professur für Militär- und Kulturgeschichte einen Dialograum mit Studierenden schaffen. Viel Raum für Studierende blieb bei der Veranstaltung allerdings nicht, beobachtete Nadia Jusufbegović.
„Gazas Kinder wollen leben, Israel ist dagegen!”, ruft eine 30-köpfige Gruppe pro-palästinensischer Demonstrant*innen mit Plakaten in der Hand. Ringsherum verteilt sieht man grüppchenweise Polizeibeamte, der Mannschaftswagen steht um die Ecke.
200 Meter entfernt herrscht im Audimax der Universität Potsdam eine ganz andere Stimmung: Hier heißt die Uni am Abend des 29. Mai den israelischen Botschafter Ron Prosor mit Applaus zu einer Dialogveranstaltung willkommen. Wie bei so vielen Diskussionen zum Israel-Palästina-Konflikt wird ein Aufeinandertreffen polarisierter Meinungen erwartet.
Prosor dankt dem Publikum für den Mut zum Dialog
Unter den wachsamen Augen von mindestens zwei Personenschützern beginnt Prosor seine Rede. Er dankt allen Anwesenden für ihren Mut, am Dialog teilzunehmen und verurteilt direkt zu Beginn die „dämonisierenden” Aussagen der Demonstrierenden vor der Tür: Die Anschuldigung, Israel würde absichtlich auf Zivilist*innen zielen, tut er klar als eine Lüge ab. Für Israel stellen die Hamas als Instanz des Terrors und der Indoktrination das Hauptproblem dar. Er betont: „Frieden schafft man nicht durch ein Massaker.” Wenn die Hamas also Frieden wolle, hätte sie nicht über 1.000 Menschen ermordet und Hunderte entführt. Das Publikum drückt durch ein kollektives Raunen seine Zustimmung aus.
„So etwas wie Verhältnismäßigkeit gibt es im Krieg kaum.”
Ron Prosor, Botschafter Israels
Die Veranstalter haben zu Beginn des Events zwar ihre Dankbarkeit dafür ausgedrückt, einen Dialog ohne „schreien” zu führen, diesem wird jedoch auf ironische Weise Einhalt geboten: Aus der vierten Reihe springt eine junge Person auf und ruft Prosor zu, er solle aufhören Lügen zu verbreiten. Dieser redet weiter, als wäre nichts geschehen.
„Sollen wir der Hamas vielleicht einen Brief schreiben, bitte lasst sie frei?!”
Der Botschafter sieht bei der israelischen Regierung keine Schuld: Die „Verharmlosung der Hamas-Ideologie” von Teilen der palästinensischen Bevölkerung habe erst zu den Verbrechen am 7. Oktober geführt. Jegliche Verteidigungsmaßnahmen Israels hingegen würden von der Öffentlichkeit direkt verurteilt. Um seine Argumentation zu untermauern, ruft Prosor mit ironischem Unterton „Sollen wir der Hamas vielleicht einen Brief schreiben, bitte lasst sie frei?!”. Bei der anschließenden Publikumsfrage nach der Verhältnismäßigkeit der israelischen Angriffe in Gaza thematisiert er wiederholt die vielen Toten im Oktober letzten Jahres und stellt fest: „So etwas wie Verhältnismäßigkeit gibt es im Krieg kaum.” Prosor gibt an, dass Israel bisher weniger „Kollateralschäden” verursacht habe, als es in anderen Kriegen der Fall war. Nichtsdestotrotz gelte sein Mitgefühl allen Zivilist*innen in Gaza, die nichts mit der Hamas zu tun haben.
Sowohl das Publikum als auch Prosor werfen die Frage auf, wieso die Hamas-Ideologie mit ihrem antisemitischen Charakter in sonst eher progressiven linken Gruppen plötzlich „salonfähig” geworden sei. Schließlich sei alles, was es für einen umgehenden militärischen Rückzug Israels bräuchte, die sofortige Freilassung der Geiseln seitens der Hamas: Laut Prosor könne schon „morgen Frieden herrschen”. Weitere Bedingungen zum Einkehren des erwähnten Friedens werden von Prosor nicht genannt.
Militärhistoriker Sönke Neitzel hinterfragt Prosors Aussagen im Frage-Antwort-Dialog selten, wenngleich die Veranstaltung als Diskussion geplant war. Als die Gastgeber zum Abschluss wissen möchten, wie es aus israelischer Sicht weitergehen solle, wird Prosor deutlich: Mit der Hamas als Verhandlungspartnerin werde man nur schwer vorankommen. Doch das Ziel sei nach wie vor eine Zwei-Staaten-Lösung.
Dialog ohne Studierende
Eine einzelne Journalistin schneidet thematisch die Studierendenproteste an: „Wie gehen wir mit Demonstrierenden um, die „From the river to the sea” rufen, ohne überhaupt die Bedeutung zu kennen?”. Prosor hält seine Antwort mit einer Argumentation für eine offen gelebte Streitkultur sehr allgemein.
Diese Frage ist eine der wenigen mit direktem Studierendenbezug, ursprünglich war der Sinn der Veranstaltung auch ein „Dialogforum mit Studierenden zu schaffen”, so die Veranstalter. Im Gegensatz zum Titel der Berliner Zeitung „Botschafter stellt sich Studenten an der Uni Potsdam”, fällt auf, dass im Verlauf des Abends kaum ein Studierender zu Wort kommt.
Vor dem Hintergrund mangelnder Dialogbereitschaft zwischen Uni und Studierenden war die Hoffnung in diese Veranstaltung groß, es kommt jedoch eher eine Unterhaltung zwischen Gastgeber*innen, Journalist*innen und dem Botschafter zustande.
Letztendlich klingt der Abend ohne weitere Vorfälle aus und die Menschen strömen an den Polizist*innengruppen vorbei zur Tür hinaus. Die Idee eines interaktiven Formats dieser Art trägt laut der Uni das Potential in sich, den aufgeladenen Diskurs zu entschärfen. Doch für eine Studentin der FU steht fest: „Bei einer Diskussion an der Uni, die von Studis angestoßen wurde, hätte ich mir definitiv mehr Raum für sie gewünscht.”