FUnpolitisch

Es ist wieder Dienstag, 12 Uhr. Die gesamte Uni stürmt in die Mensa und wir hinterher. Denn wie jede Woche haben wir eine Mission: Das nächste virale Tiktok für FURIOS! In letzter Zeit wird unsere Arbeit aber durch ein entscheidendes Problem erschwert. Linda Wagner und Celina Ganz berichten von ihrem herausfordernden Alltag als Social Media Ressortleiterinnen.

Sind Studierende an der FU unpolitisch oder doch nur TikTok-Scheu? Illustration: Sumin Kim.

Wie immer treffen wir uns vor der Mensa. Nach einem kurzen Austausch über unser Vorhaben steht unsere heutige Frage an die Studis fest: „Was sind eure Gedanken zur Europawahl?”. Aktuell schafft es die FU immer wieder, als politische Institution Aufsehen zu erregen. Ganz im Sinne ihrer Tradition zeichnen die Leitmedien das Bild einer überwiegend aktivistischen Studierendenschaft. Deshalb sind wir überzeugt, dass sich viele zu diesem Thema äußern werden. Die Jagd beginnt. Wie mit einer Art Röntgenbrille lassen wir unseren Blick über die Massen im Flur schweifen. Gehetzt wirkende oder Kopfhörer tragende Studis sortieren wir systematisch aus. Auch beim Essen oder Arbeiten möchten wir lieber nicht stören. Ins Beuteschema passen Gruppen, die sich in entspannter Atmosphäre angeregt unterhalten. Der schwierige Part ist der Angriff. Dabei ist unser Vorgehen immer gleich. Auf unseren standardisierten Pitch folgt häufig leider die gleiche Antwort: „Ne, eher nicht, sorry.” Gepaart mit einem genervten Augenrollen. 

Mit der Zeit haben sich hier verschiedene Spezies herauskristallisiert. Wir stellen vor: 

  1. Die Kamerascheuen

Diese Exemplare machen kurz und schmerzlos deutlich, nicht vor die Kamera zu wollen. 

  1. Die Analogen

möchten nichts mit TikTok zu tun haben. 

  1. Die Unpolitischen 

geben vor, keine Meinung oder unzureichendes Wissen zum Thema zu haben 

  1. Die Endgegner*innen

finden unser Vorhaben prinzipiell gut, möchten sich aber trotzdem nicht dazu äußern.

Wir werfen uns einen vorahnenden Blick zu, denn wir wissen, was jetzt kommt. „Super, dass ihr das macht, ist ein total wichtiges Thema. Ich möchte aber nichts dazu sagen.” Klappe zu, Affe tot. Wir haken nicht nach, wünschen einen schönen Tag und ziehen weiter. Aber so schnell geben wir nicht auf.

Zusammen machen wir jetzt seit fast einem Jahr Videos an der FU. Von Woche zu Woche lassen uns diese Situationen stärker hinterfragen, wie politisch die Studierenden an der FU am Ende wirklich sind. Natürlich wissen und respektieren wir, dass sich viele einfach nicht online zeigen wollen. Wieso ist es dann aber so viel weniger mühsam, Freiwillige für seichte Themen wie „Was ist der hotteste Studiengang?” zu finden. 

Natürlich wissen wir auch, dass es durchaus aktivistische Initiativen an der FU gibt und sich eben nicht alle gleichermaßen mit politischen Themen auseinandersetzen können. 

Wenn die FU sich aber weiter mit dem Label „politische Uni” profilieren möchte, dann muss zuallererst eingesehen werden, dass sich die Medienlandschaft und die Informationsquellen wandeln. TikTok ist längst keine Plattform für peinliche Tanzvideos mehr.

Die Ergebnisse der jüngsten Europawahl zeigen deutlich, welchen politischen Einfluss vor allem rechte Parteien auf der Plattform haben, die bei so vielen unserer Kommiliton*innen Augenrollen hervorruft. Wir dürfen ihnen das Spielfeld nicht überlassen.

Am Schluss stellt sich die Frage, ob die Zurückhaltung auf das Format oder die wenigen politisch engagierten Studierenden zurückzuführen ist. Vielleicht müssen wir aber auch einfach nur geschicktere Jägerinnen werden.

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