Lea Reinhardt ist freie Regisseurin und Studentin an der Humboldt Universität, die 26-jährige hat zuletzt mit den Freispielern am Stück „Endstation Ekstase“ gearbeitet. Victoria Esenwein durfte sich ihr Stück „INTERLUDE“ ansehen und hat mit ihr über ihre Arbeit als Regisseurin gesprochen.
Was bedeutet „Freie Szene“?
Freie Szene heißt kein staatlich gefördertes Theater, kein Staats- oder Stadttheater, wie z.B. das Ensemble oder die Schaubühne. Im staatlich geförderten Theater ist alles ein wenig strukturierter, es ist schwieriger, reinzukommen und als Regisseurin bist du selten fest angestellt. In der freien Szene kann man leichter rumexperimentieren, weil man nicht zwangsläufig einem großen Publikum gefallen muss. Das Angebot ist vielfältiger und man kann sich viel auf neue Dinge einlassen. Aber: Leider ist die Bezahlung meistens nicht so gut. Obwohl ich auch ein paar Leute kenne, die von der Arbeit in der freien Szene leben. Das geht, wenn man sich geschickt anstellt.
„Ich habe mich nicht getraut, mir das einzugestehen: dass ich Künstlerin werden will. Ist ja auch schwierig, man sagt sich: Ich will Künstlerin werden und denkt: Ja und dann?“
Welche kreativen Freiheiten bietet die Arbeit an einer freien Produktion, und wo gibt es möglicherweise Einschränkungen?
Ich war mit Mona und Leander von den Freispielern auf einem Theaterfestival in Nensing. Wir haben dann eine Woche lang Theaterstücke angeschaut. Es war sehr inspirierend, wir haben gesehen, was man alles auch mit wenig Budget machen kann. Freie Szene bedeutet in kleinen Räumen spielen und deswegen dem Publikum näher sein. Manches funktioniert dann einfach anders.
In „INTERLUDE“ haben wir das Publikum direkt angesprochen. Man kann gut mit dieser Nähe spielen und die Leute lassen sich darauf ein. Im Großen Theater kann man sich viele Dinge vorstellen und dann umsetzen: Es werden wahnsinnige Bühnenbilder gebaut. Im kleinen Theater ist man stärker beschränkt. Das ermöglicht aber auch, eine andere Art zu denken.
Wie unterscheidet sich die Zusammenarbeit in einer freien Theaterproduktion von der an einem staatlich geförderten Theater?
Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Hierarchien bei freien Theaterproduktionen flacher sind. Bei meinen Hospitanzen habe ich Glück gehabt, dass ich immer ein bisschen mitbestimmen konnte. Ich habe aber viele Geschichten gehört, von Leuten, die sehr starke Hierarchien erfahren haben. Ich glaube aber, in einem guten Theaterbetrieb ist man nett zueinander, und Strukturen weichen sich auf, sodass man im Miteinander weniger formell und steif ist.
Foto: Henry Wiese
Das Theaterstück „INTERLUDE“ wird im November wieder in der Brotfabrik gezeigt. Es handelt von Mel und ihrer Angst davor, irgendwo wirklich anzukommen. Wie trifft man eine gute Entscheidung, wenn man sich an der nächsten Kreuzung schon wieder für einen Weg entscheiden muss? Und warum sind Häuser vor allem dann so gruselig, wenn sie einen Balkon haben?
Wie kam euer Ensemble zustande?
Wir kennen uns alle vom Studierendenwerk Projekt „Endstation Extase“. Mona und Leander haben mit mir am Stück geschrieben und wir haben deswegen schon sehr eng zusammengearbeitet, die anderen beiden haben mitgespielt. Dann habe ich sie mir einfach für das nächste Projekt geschnappt. Aus der Arbeit an „INTERLUDE“ sind auch private Freundschaften entstanden, was für uns alle etwas Besonderes war.
Gibt es etwas wie einen typischen Arbeitstag? Wie sieht deiner aus?
Bei den Endproben bin ich aufgewacht und habe nachgedacht über Probleme, für die wir eine Lösung suchen. Am Anfang schreibe ich viel und male Sachen auf, aber sobald das Grundgerüst steht, arbeite ich sehr intuitiv.
Einmal bin ich nachts aufgewacht und wollte eine Melodie finden, dann saß ich da für eine halbe Stunde und habe vor mich hin geträllert. Von außen betrachtet sind einige dieser Prozesse sicher witzig. Mein Freund muss dann auch manchmal dafür herhalten und sich meine Ideen anhören.
Gibt es Fördermöglichkeiten, die ihr für euch nutzen könnt?
Ich kannte die Brotfabrik, weil ich da in der Nähe wohne. Es ist ein laufendes Theater, das heißt: mehr Publikum. Es gibt viele Fördermöglichkeiten, dafür muss man aber viele Anträge stellen. Bei der Brotfabrik durften wir einen Teil der Einnahmen behalten und konnten so die Kosten für die Produktion abdecken. Wir studieren oder arbeiten auch alle nebenher, deswegen waren wir nicht auf den Erlös angewiesen.
Was kommt als Nächstes?
Wir wollen gerne mit „INTERLUDE“ auf Tour gehen! Am 21., 22. und 23. November spielen wir nochmal in der Brotfabrik hier in Berlin. Danach möchte ich mein nächstes Theaterstück schreiben. Mein Ziel ist es, in einigen Jahren als freischaffende Regisseurin zu arbeiten.