Pafflows Hund

Mit 16 sitze ich mit Alkohol im Blut und Herzschmerz in der Brust auf kaltem Asphalt und schaue meinem Kumpel zu, wie er mir meine erste Zigarette dreht. Mit 17 bin ich im Sommer am See und ziehe das erste Mal an einer Vape. Dabei habe ich mir geschworen, niemals, NIEMALS, zu rauchen. Verdammt.

Illustration: Nađa Filipovič

Ich würde mich nicht trauen, meinem 13-jährigen Ich gegenüberzustehen. Auf eine (leider berechtigte) Schimpftirade müsste ich mich gefasst machen. Ich habe unser Versprechen, rauchfrei zu bleiben, gebrochen.

Immerhin war ich besser als die anderen – nur eine Partyraucherin. In einer Beziehung ohne Commitment, denn die Zigarette beim Feiern »zählt ja nicht«. Ich rauche nicht jeden Tag, ich kann also gar nicht abhängig sein. Diese Lüge kann mensch sich so lange selbst erzählen, bis einem beim Gedanken an Nikotin nach dem dritten Bier reflexartig das Wasser im Mund zusammenläuft. Über die Zeit hat man sich selbst zu Pawlows Hund konditioniert. Ups, wie ist das denn passiert?

Rauchende sind paradox, wenn es um ihr eigenes Laster geht. Erst sagen dir deine Eltern, Großeltern und auch dein kettenrauchender Nachbar: »Sei nicht wie ich und fang gar nicht erst damit an.« Doch sobald du alt genug aussiehst, halten sie dir trotzdem eine Kippe hin, wenn du sie darum bittest. Klar, niemand will alleine rauchen. Und klar, jede*r trägt Eigenverantwortung. Aber Rauchen ist ein Teamsport. Nach einer Zigarette fragen ist ein zertifizierter Eisbrecher, der zeigt: Wir haben etwas gemeinsam. Natürlich wissen wir genau, dass Rauchen scheiße ist. Wir haben uns im Bio-Unterricht beim Anblick einer Nikotinlunge geekelt und danach unsere Eltern gefragt, warum sie das machen. Und jetzt asphaltieren wir uns trotzdem die Bronchien und frieren im Winter solidarisch vor der Tür. Gewirkt hat die ewige Gesundheitsleier anscheinend aber doch: Lag der Anteil der 18- bis 25-jährigen Rauchenden 2001 bei 44,5 %, waren es 2021 nur noch 29,8 %. Kurz schien es, als hätte  unsere Generation Rauchen endlich uncool gemacht. 

Gott sei Dank ist die Tabakindustrie kreativ und weiß, wie man die Menschen bei der Stange hält. Und wie man sich eine neue Generation braver Raucher*innen am besten heranzüchtet. Introducing: Vapes. Das erste Mal mit 14 heimlich rauchen, muss heutzutage gar keine eklige Erfahrung mehr sein. Man kann auch den Mund voll mit Mangoeis und Cherry Cola haben und sich dabei die ganze Ladung Nikotin geben. Beim bunten Color-Rado-Mix im Späti ist für jeden Geschmack was dabei, ganz nach dem Motto: Vapes machen Kinder froh und Erwachsene ebenso. 

Während die Vapeindustrie ihre Produkte auf eine britische Studie von 2015 stützt, laut der E-Zigaretten 95 % weniger schädlich als herkömmliche Zigaretten sind, fordern 2024 deutsche medizinische Gesellschaften mangels Langzeitstudien ein Verbot. 2022 stieg die Nutzung von Einweg-E-Zigaretten unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis auf 34,1 % an. Vapes sind wahrhaftig ein Geniestreich: Man kann jetzt jederzeit und überall rauchen, die süßen Aromen helfen dabei, den toxischen Dampf tiefer zu inhalieren und die kleinen Kinderhände stinken nicht. Und man kann die praktischen Elektrogeräte mit Lithium-Akku ganz locker in den Restmüll pfeffern – da haben wir’s wieder mit dem Rauchen ohne commitment. Und ohne Umweltbewusstsein, wie bei klassischen Zigaretten. 

Puhh, auf den Aufreger erstmal ‘n Kippchen. Sorry, kleine Lara, ich hör bald auf. Ganz bestimmt. 

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