Und wenn das Studium nicht nach Plan verläuft? Julia* hat ihr erstes Studium abgebrochen, Sarah* das erste Staatsexamen nicht bestanden. Die Studienberatung der FU erzählt, was in solchen Situationen helfen kann.

Wir sitzen im Garten eines Studierendenwohnheims. Es ist ein schöner Frühsommertag. Julia sitzt auf einer Bierbank in der Abendsonne und erinnert sich an ihre erste Studienzeit. Vor vier Jahren brach sie ihr Studium an der FU ab. In der Schule war sie in der Theater-AG. Da sie wegen eines Auslandsaufenthalts nach dem Abitur nicht zu den Vorsprechen von Schauspielschulen gehen konnte, entschied sie sich für die Theaterwissenschaft. Doch nach zwei Semestern merkte sie, dass sie ihre Zukunft in einem anderen Bereich sieht.
Aber was kann in dieser Situation, die oft für Überforderung sorgt, helfen? Katrin Niemann und Sebastian Mebes arbeiten seit vielen Jahren für die Studienberatung der FU. Ziel der Sprechstunde sei es nicht, den Studierenden zu sagen, was sie zu tun hätten. »Es ist eine Hilfe zur Selbsthilfe«, erklärt Mebes. Oft helfen den Studierenden bereits neue Motivationsanstöße oder ein Ausblick über mögliche Perspektiven. Wichtig sei es aber, sich selbst aktiv zu informieren. Die Entscheidung sollte unabhängig von Einflüssen aus dem Umfeld getroffen werden. »Es gilt zwar als ein guter Wert, wenn man sich durchbeißt, aber am Ende muss man für sich selbst einstehen und entscheiden: Ist es das Richtige für mich?«, so Mebes. Die Gründe für Studienabbrüche reichen von mangelnder Motivation, über falsche Erwartungen bis hin zu Überforderung mit der Eigenverantwortung im Studium.
»Es gilt zwar als ein guter Wert, wenn man sich durchbeißt, aber am Ende muss man für sich selbst einstehen und entscheiden: Ist es das Richtige für mich?«
Sebastian Mebes
Zudem wirke sich die Corona-Pandemie bis heute auf die Studienerfahrung aus. Auch Julias Zeit an der FU war überwiegend online. Anstatt das Campusleben zu genießen, saß sie alleine an ihrem Schreibtisch. Das sei jedoch nicht der ausschlaggebende Grund für den Abbruch gewesen, sagt sie. »Ich hatte das Gefühl, ich lerne wahnsinnig spannende Sachen, die aber überhaupt nichts miteinander zu tun haben und im Berufsalltag nicht hilfreich sind.« Sie entschied sich daher, zu einem Psychologie-Studium an einer privaten Hochschule zu wechseln. Seitdem fühle sie sich erleichtert. Niemann und Mebes bestätigen, dass es für viele Abbrechende eine Option ist, das Fach oder die Form der Hochschule zu wechseln.
Auch Sarah erzählt von ihrem ersten Studium. Vor etwa 10 Jahren begann sie ein Jurastudium in Konstanz, doch dieses verlief nicht nach Plan. Sie beschäftigte vor allem eines: der immense Druck. Unter Kommiliton*innen sei das Nicht-Bestehen keine Option gewesen. Als sie das Staatsexamen im ersten Versuch nicht schaffte, zog sie sich aus ihrem Uni-Freundeskreis zurück. »Man ist dann unten durch«, erzählt sie. Nachdem sie auch im letzten Versuch nicht bestanden hatte, war klar: Ihr Ziel, Rechtsanwältin zu werden, ist nicht mehr erreichbar. Insgesamt studierte Sarah sieben Jahre Jura, ohne dafür einen Abschluss zu erhalten.
Daraufhin zog sie zurück in ihre Heimatstadt und nahm sich eine Auszeit. »Ich habe nur noch gegrübelt und wusste nicht mehr wohin«, erzählt sie. Ihre Familie und ihr Partner fingen sie auf. Sie recherchierte, beriet sich mit ihrem Umfeld, machte ein Praktikum und entschied sich schließlich für einen Bachelor of Law an einer Fernuni. Dort konnte sie sich viele Leistungen aus dem Jurastudium anrechnen lassen. Neben dem Studium engagiert sie sich heute für eine Reform des Jurastudiums.
Auch nach einem nicht bestandenen Studium gebe es viele Möglichkeiten, sagt die Studienberatung der FU. Wichtig sei es, nicht zu hart zu sich zu sein. »Man ist nicht nur eine Prüfung«, sagt Niemann. Man solle persönliche Leistungen aus der Studienzeit anerkennen. Das können Kenntnisse und Qualifikationen sein, aber auch Arbeit neben dem Studium oder das Übernehmen von Verantwortung. Diese Selbstakzeptanz, um letztlich Frieden finden zu können, sei jedoch ein Prozess.
»Man ist dann unten durch«, erzählt sie. Nachdem sie auch im letzten Versuch nicht bestanden hatte, war klar: Ihr Ziel, Rechtsanwältin zu werden, ist nicht mehr erreichbar.
Wer sich gegen den akademischen Weg entscheidet, kann sich an die Bundesagentur für Arbeit oder an das Beratungsnetzwerk Quereinstieg Berlin wenden. Darüber hinaus bietet auch die psychologische Beratung an der FU mögliche Unterstützung. Ihr Angebot umfasst sowohl Einzelgespräche als auch Workshops zu Themen wie Prokrastination oder Redeangst. Auch die Support Points an den Fachbereichen der FU sind eine Anlaufstelle.
Sarah berichtet, sie habe bis heute in Prüfungssituationen mit ihrem Selbstbewusstsein zu kämpfen. Was helfe, sei ihr Job im rechtlichen Bereich. Hier erfahre sie viel Wertschätzung und lerne, ihren Fähigkeiten zu vertrauen. Julia sagt heute über ihr Studium der Theaterwissenschaft: »Ich freue mich, dass ich das gemacht habe, und ich freue mich auch, dass ich es nicht zu Ende gebracht habe.«
*Namen von der Redaktion geändert