VULVA

Der Moment, in dem ein Kind vollständig aus dem Körper der gebärenden Person heraustritt, gilt als der Anfang des Lebens. Die meisten Menschen beginnen ihr Leben mit dem Verlassen einer Vagina. Trotzdem werden Vagina und Vulva wenig besprochen, wenig gesehen, wenig betrachtet. Eine Gedankensammlung von Vulva-Besitzer*innen.

Die Gedankensammlung stammt aus Gesprächen unter Vulva-Besitzer*innen. Dabei wurden auch Fotos gemacht, die im Heft31 zu Anfang/Ende zu sehen sind.

Reflektionsfragen. Foto: Emma Mehl

Im Endeffekt ist die Vulva einfach nur ein Körperteil. Ich sehe sie an und ich habe keine andere Verbindung zu ihr als zu meinem Bein.

Welche Pronomen benutzt du für deine Vulva?

Was ist, wenn eine Vagina nicht penetriert wird, sondern sie der aktive Part ist? In Benin und Ghana zum Beispiel sprechen die Menschen von der Penetration aus der Perspektive der Vulva-Besitzer*in: Die Vagina hüllt den Penis ein. Sie verschluckt ihn. Wir sollten über die sprachlichen Manifestationen von Passivität und Aktivität beim Sex sprechen. Die vagina dentata frisst den Penis auf.

Das erste Mal habe ich meine Vulva angeschaut, als ich wusste, dass mein erster Freund sie bald sehen wird. Ich musste dazu beitragen, das Geheimnis, dass Vulven nach dem 12. Lebensjahr nicht mehr glatt, sondern behaart sind, vor den Männern zu wahren. Ich habe die Haare mit einer Nagelschere abgeschnitten. Mittlerweile weiß ich, dass meine Freund*innen damals das Gleiche gemacht haben.

Bücher und Kunst, in denen die Vulva thematisiert wird. Foto: Emma Mehl

Vulva-Haare mit der Nagelschere zu schneiden ist anscheinend eine kollektive Erfahrung des Erwachsenwerdens.

Über die Jahre haben verschiedene Personen meine Vulva und Vagina kommentiert. Die meisten Kommentare waren positiv. Bei manchen habe ich mich geschämt.

Ich bin kein Mann, will auch keiner sein und Penisneid ist nur eine weitere von vielen peinlichen Freud-Theorien. Doch meine Vulva ist manchmal ein Penis. Sie dringt in mich ein und ich in sie. Ich erzähle ihr davon, und sie findet es nicht komisch, sie findet es schön, dass ich mich nicht vor ihr schäme.

Die Klitoris schwillt wie ein Penis an, wenn mensch erregt ist. Mensch kann Zeigefinger und Mittelfinger an den Seiten der Klitoriseichel auf und ab bewegen und den Schwellkörper spüren. Eine runterholen.

Dey sagt, dass ein Mangel an Repräsentation und Auseinandersetzung mit der Vulva daran liegt, dass sie so tucked away ist. Mensch muss einen Spiegel nehmen und sich verrenken, um gute Sicht zu bekommen. Ich denke: »Irgendwie bin ich ganz froh darüber. Ich muss mich nicht unbedingt mit meiner Vulva auseinandersetzen. Sie macht, was ich möchte und ist da, sie ist verlässlich, aber in Kontakt treten brauchen wir nicht.«

Foto: Emma Mehl

Auf Instagram sehe ich die medizinische Darstellung eines Embryos im Körper der Mutter. Das Bild wird viel geteilt, denn der Embryo und die Mutter sind Schwarz. Uns ist es peinlich, dass wir nie medizinische Darstellungen von Schwarzen Menschen sehen. People of color sind häufiger von Ungleichheiten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit betroffen, als ihre weißen Geschlechtsgenoss*innen.

Ich habe durch einen Instagram-Post gelernt, dass die Klitoris mehr ist, als die Klitoriseichel. Ich habe durch Instagram-Posts über HPV, Pilz-Infektionen und die Anatomie des Uterus gelernt. Ganz schön peinlich und erschreckend, dass wir wichtige Aspekte der Allgemeinbildung beim Swipen – nicht von Lehrer*innen – erfahren.

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