Katharina Dietze studiert an der Freien Uni und ist elementarer Bestandteil der Berliner Indierock-Band KATHA UND DIE DUDES. Im Frühjahr soll das neue Album produziert werden, bis Ende Januar läuft hierfür eine Crowdfunding-Kampagne. Was wir erwarten können, hat Katha uns persönlich verraten. Ein Porträt von Madlen Mink.
Musik > Theater
Ich habe Katha im vergangenen Wintersemester bei einem Sprachwissenschafts-Seminar kennengelernt. Sie trug ein Tocotronic-Shirt. „Digital ist besser.” Passend dazu hatte ich meinen Bandschal um den Hals geworfen. „Nie wieder Krieg.“ Es war ein mausiger Moment zweier Sympathisantinnen der Hamburger Schule. Sie empfängt mich mit einem herzlichen „Hola“ im Proberaum in Weißensee. Es ist ein Sonntag im November, wir sind beide etwas müde und kaputt von der Woche. Die Bandprobe ist gerade zu Ende, die letzten beiden Konzerte 2024 stehen bevor. Katha erzählt mir ihren Weg in die Musik und teilt mir dabei ihren Frust auf die Theater- und Schauspielszene mit. „Ich habe Schauspiel studiert und das war scheiße.“ Die Krux: Es ist nicht die Kunst des Schauspiels, sondern das „pseudo-progressive Business mit den immer gleichen prätentiösen Armleuchtern”, was sie ablehnt. Hier verweist sie auf den „Hass Song” mit der Strophe „Ich hasse das Theater und alle vom Film. Und wie Queerwashing und Bodyshaming eure Geldtöpfe füllen”. Ihren Abschluss hat sie noch dazu 2020, kurz vorm Lockdown Light, absolviert. Ungewisse Zeiten und erschwerte Bedingungen, um in dieser exklusiv erscheinenden Szene Fuß zu fassen. Es folgten Lehrjobs an Schulen über Corona-Aufholprogramme und Spanisch-AGs. Inzwischen studiert sie im dritten Semester Deutsche und Spanische Philologie mit Lehramtsoption. Zwischen Band und Studium sind Sprach- und Musikunterricht ihr Day-Job. Sich selbst in Szene zu setzen geht dafür auch gut in Musikvideos. Hier kann sie frei entscheiden. Auch wenn jetzt sehr viel gestreamt wird und Videos bedeutungsloser werden, schätzt Katha die künstlerische Komponente, die nicht verloren gehen sollte. „Spotify hat ja jetzt auch angefangen, Videos in der App zu schalten, dass du wieder einen visuellen Input hast”. In der Musik wird man da schon eher gesehen, findet sie. Oder besser: gehört. Ihre Bühnenvergangenheit merkt man auf Konzerten sofort an ihrer gewaltigen Stimme. Das Feedback, was man zurückbekommt, sei schon eine feine Sache, die einen sehr motivieren kann. Auch die Berliner Musikszene ist, abseits der Clubschließungen, dafür wesentlich offener. Seit kurzem ist Katha indes auf dem Debut-Album von EDDIE, einer kleinen Garage-Rock-Band aus Berlin, zu hören. Dort lieh sie dem Track „Mansplain“ ihre Vocals.
Bandgründung im Pandemiejahr 2020
Der neu gemietete Proberaum ist eine umfunktionierte Werkstatt auf einem mit Schottersteinen bedeckten Hinterhofkomplex. Die Decken sind tief, an zwei gegenüberliegenden Wänden wurden die weißen Fliesen zur Hälfte mit Schallabsorbern versehen. Wie erwartet thronen hier Lautsprecherboxen, Kabel und Instrumente sowie Notenpulte mit unveröffentlichten Liedzeilen. Abseits der vielen Verteilerleisten und Steckdosen, die wir beide in den Uni-Räumen vermissen, fällt mir Kathas rote Makala Shark Ukulele an der Wand auf. Eine der wenigen persönlichen Dinge im Raum. Es gibt kein motivierendes, eingerahmtes Familienfoto wie am Büroarbeitsplatz, dafür jedoch gestickerte Photobooth-Bilder der Bandmember an den vier Holzstützen. Erst seit Mai sind sie hier. Mit ein paar Jahren Vorlauf war der erste offizielle Auftritt als KATHA UND DIE DUDES 2020. In dieser Zeit durchlebte die Band viele Um- und Neubesetzungen. So wird auch der Gitarrist kurzerhand zum Drummer befördert. Katha greift gelegentlich zur Rhythmusgitarre, konzentriert sich allerdings auf Synthies und Singen. Gleichzeitig gehören Booking und Band-Management zu den Aufgaben der gebürtigen Leipzigerin. Die durchweg autobiografischen Texte schreibt sie selbst, die Kompositionen größtenteils. „Ich habe immer eine Richtung im Kopf, in die es gehen soll, aber ich lasse mich natürlich gerne von den Visionen der anderen überraschen. Das deckt sich oft gut ab.”
Autodestruktiver Humor
Die selftitled EP erschien 2021, die Singles „Nikotinflash” und „Kein Grund” folgten im Jahr darauf. Das Debut-Album „Autodestruktiver Humor” soll 2025 erscheinen. Um die Produktionskosten zu bestreiten, läuft gerade eine Crowdfunding-Kampagne. Noch bis zum 30. Januar, Kathas Geburtstag. Eine neue Ära wird es nicht sein, die relativ junge Band bleibt ihrem bisherigen Sound treu. Die Musik geht grob in Richtung Punkrock, fein in Richtung Indie und schwimmt wohl am besten in der Neuen Deutschen Welle. Beseelte Lyrik einer jungen Frau in den Zwanzigern. Die neuen Texte auf dem Konzeptalbum sollen Einblick in Kathas Gedankenwelt geben. Sie pendelt zwischen manischen Höhen und euphorischen Momenten, während sie parallel dazu ihre depressiven Phasen besingt und auch die unsicheren Gefühle zur Corona-Zeit mit jugendlichem Zynismus verarbeitet. „Ich bin gerne sarkastisch. Mit so einem gewissen Galgenhumor ist alles ein bisschen besser. Auch wenn alles scheiße ist, ich kann wenigstens versuchen, das einzufangen und Kunst draus zu machen. Das ist mein Spirit.”
Kathas Appell
Zum Schluss stelle ich die etwas hochgestochene Frage, ob Katha (kunstschaffenden-) Studis aufbauende Worte mitgeben möchte. Ihre Antwort: „Zieht durch. Macht euer Ding.” Im Vergleich zu ihrer Zeit im Vollzeitjob spürt sie ihre wiedergewonnenen Freiheiten deutlich. „Nutzt die Freiheiten in der Uni.” Sich trauen, im Semester ein Modul weniger zu belegen oder mal eine Vorlesung für die Probe sausen zu lassen, um sich auf Mucke zu konzentrieren, ist auf der Arbeit eher keine Option. „Gerade im Uni-Kontext gibt es viele Möglichkeiten, das eigene Zeug zu präsentieren. Du hängst ein Plakat aus und weißt: Alle, die an der Mensa vorbeigehen, werden das sehen. Und vielleicht bleibt irgendjemand stehen.” Werbung für sich selbst machen, Leute erreichen, netzwerken – Katha sieht an der Uni ein hohes Potenzial für Synergien. Stärker als auf dem Arbeitsmarkt oder in der Ausbildung.
Wir verabschieden uns an der Tram. Beschwingt von unserem Gespräch, stecke ich mir meine Kopfhörer ins Ohr und fiebere dem kommenden Album entgegen. In die Warteschlange packe ich den Song „Irgendwann“…Hoffentlich ganz bald.
Für die Ohren:
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