Berlin ist Kultur – eine studentische Sichtweise auf den bevorstehenden Kulturabbau in der Hauptstadt

Berlin als Kulturstadt lebt von renommierten staatlichen Einrichtungen ebenso wie von der blühenden freien Kulturszene. Doch durch die drohenden Gelderkürzungen im Haushaltsplan der Regierung für 2025 ist diese Idylle individueller Vielfalt in der Hauptstadt in Gefahr.  Besonders Studierende haben mit den Konsequenzen des “Kulturabbaus” zu kämpfen. Ein Kommentar von Charlotte Brandt. 

Plakate bei der Demonstration gegen die Kulturkürzungen am 13. November 2024,
Foto: Rolf Zöllner / IMAGO; Quelle: “Wie viel die Berliner Kulturszene wirklich sparen muss – und wie sie darüber verzweifelt”, veröffentlicht am 22.11.2024 in der Online-Zeitung DER SPIEGEL

Kulturzentrum Berlin

Berlin hat Persönlichkeit und Berlin verleiht Persönlichkeit und Berlin formt Persönlichkeit. Und eine äußerst prominente Rolle in diesem Prozess spielt die Kultur. Berlins Kultur ist so vielfältig wie die Stadt selbst. Von Selfmade-Artists, die von Bar zu Bar ziehen, über Schauspieler*innen auf der Volksbühne bis hin zu Bestsellerautor*innen – jeder wird hier gehört, jeder hat eine Bühne, und sei sie auch noch so klein. Berlin bedeutet Möglichkeiten, Hoffnung und Zukunft. In Berlin scheint der Mut, einfach mal zu zeigen, was man kann, plötzlich gar nicht mehr so viel Überwindung zu kosten. Und während natürlich die großen staatlichen Museen ihre herrschaftlichen Hallen alten Schätze zur allgemeinen Bewunderung zur Verfügung stellen, während in der Staatsoper Unter den Linden die eindrucksvollsten Werke der berühmtesten Komponisten von renommierten Ensembles aufgeführt werden und regelmäßig international bekannte Popstars in den Arenen und Stadien tausende von Menschen in Ekstase versetzen, lebt Berlin doch auch von den kleinen Künstler*innen, den Freischaffenden, die sich authentisch und mit Geduld und Liebe für das, was sie machen, Schritt für Schritt ihre kleine Community erarbeiten. 

Drohende Gelderkürzungen 

Gerade diese florierende freie Szene in Berlin, bestehend aus rund 40.000 Kunstschaffenden, die von alltäglichen Sorgen und Gefühlen erzählen, die bodenständig, modern und wild sind und die sich mit der aktuellen politischen Lage und gesellschaftlich relevanten Themen auseinandersetzen, droht im kommenden Jahr massiv eingeschränkt zu werden. In seinem neuen Haushaltsplan für das Jahr 2025 sieht der Bund zwar insgesamt 2,2 Milliarden Euro für die Kulturförderung vor – allerdings geht davon das meiste Geld an die Institutionen, die direkt dem Staat unterstellt sind, wie die staatlichen Museen auf der Museumsinsel. Die Bundeskulturfonds zum Beispiel erwartet eine Gelderkürzung von ca. 50 % (von 35 auf 18 Millionen Euro), die Kulturvermittlung muss sich mit 1,5 statt 1,9 Millionen begnügen. 

Schwere Auswirkungen auf die Kulturszene

Diese Gelderverteilung benachteiligt vor allem die freie Szene und gefährdet viele individuelle Projekte, zum Beispiel inklusionsfördernde und frauenspezifische Projekte, Bibliotheken, Musikschulen und Förderprogramme. Viele nicht-staatliche Kultureinrichtungen werden sich in Zukunft massiv einschränken müssen, für Einzelprojekte mit freien Künstler*innen wird kaum mehr Spielraum vorhanden sein – die Komische Oper Berlin deutete sogar bereits an, es werden Programmkürzungen vorgenommen müssen, da die Fixkosten allein schon 85 % des Gesamtbudgets umfassen. Insgesamt werden auch viele Vermittlungsangebote in Zukunft wohl kürzer treten – und somit Kunst und Kultur nicht nur weniger vielfältig, sondern auch weniger inklusiv werden. Und dabei ist gerade eine inklusive Debattenkultur, ein gesellschaftlicher Austausch, für den die Kultur wertvolle Resonanzräume liefert, in unserer im Moment mehr denn je polarisierenden Gesellschaft essentiell. 

Betroffene rufen zum Protest auf

Somit wird die Kultur in vielen Bereichen stark zurückstecken müssen, was Berlin auch in touristischer und wirtschaftlicher Hinsicht schwächen wird – schließlich zieht Berlin gerade als Kulturhauptstadt mit seinen vielfältigen Events jedes Jahr Millionen von kulturbegeisterten Besuchern an. Von den Betroffenen kommt allerdings eine Welle des Protests: Demos und Konzerte werden veranstaltet, die im Zeichen des Slogans „Berlin ist Kultur“ stehen. Seit September gibt es eine offene Petition zahlreicher Kultureinrichtungen und Künstler*innen gegen den sogenannten „Kulturabbau“, die inzwischen knapp 40.000 Unterschriften verbuchen kann. Unter den Unterschreibenden sind nicht nur die direkt Betroffenen – eine breite Masse von Berliner*innen ist nicht bereit, die bunte Vielfalt von Berlins Kulturszene aufzugeben, die wichtige gesellschaftliche Themen für alle zugänglich macht. 

Auch Studierende sind betroffen

Auch in den Unis wird für die Petition und die Demos geworben. Wenn man in der FU die Augen offen hält, begegnet einem das ein oder andere Plakat, das auf die Etatkürzungen hinweist. Um uns ein Stimmungsbild darüber zu verschaffen, wie die Studierenden an unserer Uni zu den bevorstehenden Einschränkungen des Kulturbetriebs und zur generellen Relevanz der Kultur in Berlin stehen, hat die FURIOS auf Instagram eine Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse waren eindeutig: Mehr als 90 Prozent der ungefähr hundert abstimmenden Studierenden, die hauptsächlich durch Social Media und Nachrichten, teilweise aber auch durch Werbung der betroffenen Einrichtungen in Form von Flyern oder Plakaten von den Kürzungen erfahren haben, halten sie nicht nur für sinnvoll, sondern würden sich auch aktiv für eine Erhöhung der Kulturgelder engagieren. Nur wenige sind der Meinung, dass das Geld besser investiert werden könnte. Ein Stimmungsbild zeigt zudem, dass Kultur in den Augen der meisten nicht nur für Berlin, sondern auch für sie persönlich von großer Bedeutung ist. Schließlich werden einerseits auch an den Unis Gelder gekürzt, was bedeutet, dass kulturelle Projekte von Studierenden weniger Chancen bekommen, gefördert zu werden – andererseits sind viele Studierende selbst bereits im Kulturbetrieb, zum Beispiel als Werkstudent*innen, tätig und müssen damit rechnen, dass ihnen im Rahmen der Gelderkürzungen gekündigt wird. 

Don’t stop fighting

Trotz der großen Anzahl an Betroffenen, trotz Petitionen, Demos und viel verbalem Protest sind bislang keine Zugeständnisse seitens der Regierung erfolgt. Daher ist es wichtig, dass weiterhin auf die bevorstehende Gefahr aufmerksam gemacht und keine Meinung zurückgehalten wird. Nicht nur Berlin, sondern unsere gesamte Gesellschaft lebt von vielfältigen und inklusiven öffentlichen Räumen, in denen wichtige Themen angesprochen und zugänglich gemacht werden. Durch die Proteste soll dieser Austausch weiterhin realisiert werden, und auch in Zukunft sollen kulturschaffende Studierende den Ansporn und die Möglichkeit haben, in Berlin ihre Stimme erklingen zu lassen – schließlich ist Berlin nicht nur eines der größten Zentren der deutschen Kultur, sondern Berlin IST Kultur.

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