Die Persönlichkeit jedes Menschen ist einzigartig. Trotzdem versuchen wir, uns immer wieder durch das Beantworten hunderter Fragen in Kategorien und Typen einzuteilen. Von dem Verlangen, sich selbst zu erkennen, und der Frustration, die Frage »Wer bin ich?« nie wirklich beantwortet zu bekommen. Ein persönliches Essay von Juliania Bumazhnova und Regina Roßbach.

An einem Samstagnachmittag, an dem ich mich eigentlich auf ein Referat vorbereiten müsste, erscheint auf meinem Homescreen ein Persönlichkeitstest: »Welche Disney-Prinzessin bist du?« Ich klicke natürlich sofort darauf, glücklich darüber, mich vom Referat ablenken zu können. Tests dieser Art begleiten mich seit meiner Teenagerzeit, als ich 2014 den Myers-Briggs Typenindikator (MBTI) entdeckte. Dieser teilt Menschen in 16 Persönlichkeitstypen ein – basierend auf hunderten Fragen zu Vorlieben, Verhaltensmustern und Denkweisen. Damals erfuhr ich, dass ich zur Introversion neige, was mir vieles über mein Verhalten und meine Bedürfnisse erklärt hat. Doch über die Jahre schwankten meine Testergebnisse. Mal war ich introvertiert, mal extrovertiert. Heute werde ich häufiger als extrovertiert eingestuft, obwohl ich immer noch Phasen habe, in denen ich alleine sein muss, um meine Energie aufzuladen. So wie ich auch damals Phasen hatte, in denen ich gerne unter Menschen war.
Hier liegt ein zentrales Problem: Kein Test kann die Vielschichtigkeit eines Menschen vollständig abbilden. Stattdessen bieten sie uns ein Label, das uns jedoch nie eine vollständige Antwort auf die brennende Frage »Wer bin ich?« gibt. Die Versuchung, komplexe Persönlichkeitsmerkmale auf ein paar einfache Sätze zu reduzieren, ist verständlich. Durch ihre klare Kategorisierung scheinen die Tests Orientierung in der oft überwältigenden Komplexität unserer Selbst zu bieten. Doch genau diese klare Einteilung beantwortet die Frage »Wer bin ich?« niemals vollständig. Sie weckt lediglich die Hoffnung, dass der nächste Test eine Antwort liefern wird und genau das treibt dazu an, den nächsten Persönlichkeitstest zu machen.
Zudem sind die Ergebnisse oft schmeichelhaft. Sie betonen positive Eigenschaften und blenden negative Aspekte aus. Zu erfahren, dass man Ähnlichkeiten mit einem Lieblingscharakter aus einer Serie hat oder eine besonders seltene Persönlichkeit besitzt, sorgt für einen kleinen Selbstwert-Boost, der süchtig machen kann.
Persönlichkeitstests sind kein modernes Phänomen. Die ersten Persönlichkeitstests sind bereits in der Antike entstanden. So hat bereits ein Schüler Aristoteles’, Theophrastus, eine Beschreibung von 30 verschiedenen Charaktertypen verfasst. Schon damals hatten die Menschen das Verlangen danach, sich in Kategorien einzuteilen, um sich selbst näher kennenzulernen. In der Psychologie wird seit langem zu Persönlichkeitstests geforscht. Das Ergebnis: Ein Mensch lässt sich nicht in einen spezifischen Typen einteilen. Stattdessen spricht man von Persönlichkeitsdimensionen. Eigenschaften, die in jedem Menschen vorkommen, aber unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
Das bedeutet nicht, dass Persönlichkeitstests völlig nutzlos sind. Persönlichkeitstests können dennoch hilfreich sein, da sie als Wegweiser dienen können. Denn in ihrem Kern steckt vielleicht doch ein Fünkchen Wahrheit, das uns hilft, bestimmte Aspekte unserer Persönlichkeit zu erkennen.
Zu ernst sollte man Persönlichkeitstests aber nicht nehmen. Man wird nie durch ein paar Fragen seinen gesamten Charakter entschlüsseln können. Die Antwort auf die Frage »Wer bin ich?« bleibt eine, die jede*r von uns nur für sich selbst finden muss. Dennoch bieten sie eine Möglichkeit, über sich selbst nachzudenken und das eigene Verhalten zu reflektieren. Und manchmal ist es doch auch einfach schön, für einen Moment eine Disney-Prinzessin zu sein.