Inklusion bleibt am Ball: Menschen mit Behinderungen als Volunteers bei der UEFA

Von Juni bis Juli 2024 fand die UEFA in Berlin statt. Unter den ehrenamtlichen Helfer*innen im Olympiastadion sind Menschen mit Behinderungen dabei. Ein Event, das rückblickend zeigt, wie einfach gesellschaftliche Teilhabe sein kann. Eine Reportage von Eliza Lilija Beuster.

Foto von Eliza Lilija Beuster

Die grün leuchtenden Adidas-Shirts stechen im Großstadgrau Berlins hervor.
“VOLUNTEER”, steht in weißen Großbuchstaben auf der Rückseite.
An diesem Sonntagnachmittag steht das große UEFA Finale, England gegen Spanien, bevor. Und es gibt Menschen, die dieses ganze Ereignis stützen: Die ehrenamtlichen Helfer*innen.

Engagement über das Ehrenamt hinaus

Herr W ist heute der erste an der Station Nöldnerplatz. Zusammen mit 5 Mitbewohner*innen wohnt er in einer WG der RBO-Inmitten gGmbH. Zwei Pädagog*innen machen ihre Gruppe und die WG komplett. Über sein WG-Leben hinaus ist er Mitglied des Wohn-Beirats Wilde Füchse. Den Wohn-Beirat gibt es seit 2014. 2020 wurde er mit dem Lichtenberger Inklusionspreis für seine Arbeit ausgezeichnet. Die Wilden Füchse sind für die Anliegen ihrer Mitbewohner*innen da, organisieren Feste und setzen sich politisch ein, zum Beispiel für den Gebrauch von Leichter Sprache.
Herr W hilft gerne mit. Bei den Wilden Füchsen und in diesem Ehrenamt heute. „Es macht einfach Spaß!”, sagt er mit so einer Freude, dass sich dieser graue Juli-Tag wieder anfühlt wie ein Sommertag. „Ich war letztes Jahr schon bei den Special Olympics Helfer – jetzt wollte ich eine andere Erfahrung sammeln.”
Allmählich treffen die anderen der Gruppe am Treffpunkt ein. Auch sie sind für die neuen Erfahrungen bei der UEFA als Volunteers dabei. Doch das ist nicht das Einzige, worum es diesen Volunteers geht. „Ja, ich bin für den Erfahrungswert hier, aber auch für die Inklusion”, betont Frau L mit fester Stimme.

Was bei der UEFA gut läuft …

Am wichtigsten ist es allen, zusammen mit anderen Menschen dabei sein zu können.
„Ich bin stolz, mit so einem großen Team zusammenzuarbeiten!”, kann man Frau L von dem entschlossenen Gesichtsausdruck entnehmen.
Sie versteht, dass es anfangs schwer war, im Team zueinander zu finden. „Es wussten manche  ‚Normale’ am Anfang nicht, wie sie mit uns umgehen sollen. Aber das soll kein Mangel sein”, betont sie mit Kopfschütteln. „Sie hatten zuvor nur keine Erfahrungen mit Menschen mit Beeinträchtigungen und das hat manche verwirrt”. Gerade deswegen sind ihr solche Events wichtig. Die “Normalen” hatten anfangs wohl noch eher den Kontakt zu den zwei Pädagog*innen gesucht. Mit der Zeit haben sie gemerkt, dass sie die Volunteers als eigenständige Personen behandeln sollten und können. Herr S fasst zusammen: „Es ist mir wichtig, neue Leute kennenzulernen, auch welche, ohne Beeinträchtigungen. Wir wurden von den anderen Volunteers gut aufgenommen. Sie haben Interesse an uns gezeigt”.
Dann wird über die ehrenamtliche Arbeit geredet. „Wir haben durchgehalten, und ich hatte in keiner Situationen Angst, obwohl ich das zu Anfang vermutet hatte”, gibt Frau L zu.

… und woran gearbeitet werden muss

Während die Truppe auf die Bahn wartet, wird erwartungsvoll über die letzte gemeinsame Schicht geredet. Die Gespräche überschlagen sich: “Wer wird wohl gewinnen?” – “Ich bin für England, das wäre cool.” – “Sie haben doch keine Chance gegen Spanien!” und “Ich kann es kaum erwarten.” – “Bekommen wir Mittagessen bei dieser Schicht?”. Dann verstummen die aufgeregten Stimmen und es raschelt aus einigen Taschen. Es wird schon vorher genascht, denn bei einer Spätschicht bekommt man nur Abendessen. “Die Lunchpakete dort am Stadion sind sowieso nicht so gut”, lacht Herr W. Das Lunchpaket besteht wohl aus fertig belegten Brötchen, Obst und einem Riegel.
Frau L reicht kleine Cola Flaschen rum, die sie extra mitgenommen hat. “Man bekommt dort nur Wasser”, begründet sie.

Die S5 nach Westkreuz trifft ein. In der Bahn wird es wieder warm, Jacken werden ausgezogen und die Gruppe lässt sich auf zwei Vierer-Sitzplätzen nieder. Die zwei Pägagog*innen unterhalten sich über derzeitige Probleme in der WG und Planungen für gemeinsame Teamurlaube. Als die Bahn an der Weidendammer Brücke bei der S Friedrichstraße vorbeifährt, zücken alle Fahrgäste ihre Smartphones – so auch die Gruppe. “Cool, England. Das sieht gar nicht mal so schlecht aus”, meint Herr W und steht auf, um näher an das Fenster zu gehen. Die ganze Brücke ist mit Flaggen verschiedener englischer Regionen übersät.

Je näher die Schienen dem Olympiastadion kommen, desto voller wird die Bahn. Auch andere Volunteers tummeln sich dazu. An der grünen Kleidung erkennen sie einander sofort und grüßen sich gegenseitig mit Kopfnicken. Manche Fans fragen die Ehrenamtler*innen, ob sie in dieser Bahn richtig sind.

Ziel: Olympiastadion, Handball, Konzerte und mehr Miteinander

S-Bahnhof Olympiastadion: Die gute Stimmung ist schon meterweise vor dem Stadion angekommen. Viele Fans trällern vor sich hin, es gibt Merchandise-Stände, manche suchen noch nach letzten Tickets … Die Freude steckt an. Auch unsere Truppe schlendert lachend am Geschehen vorbei.
Dabei wird noch einmal über die letzte Schicht geredet: „Wir kommen hier jetzt zum Eingang, wenn der Ausweis okay ist, werden wir reingelassen. Dort haben wir ein paar Aufgaben: Die Gäste kommen rein und wir grüßen sie. Nachher ist es meine Aufgabe, Wasser auszuteilen”, erklärt Herr B, welcher allein zum Olympiastadion gefahren ist und hier gewartet hat. Herr W fügt hinzu: „Wir geben ihnen ein High Five zur Begrüßung” – „Das High Five geben wir ihnen mit einem Riesenhandschuh. Viele fragen auch nach dem Weg. Das macht Spaß, ist aber auch anstrengend. Besonders, wenn dann 20, 30 Menschen auf einmal kommen und etwas von dir wollen”, wendet Herr S ein.
Frau L lacht: „Wir bespaßen die Gäste. Man lernt bei dieser Arbeit viele unterschiedliche Charaktere der Menschen kennen. Das macht so Spaß daran!“

Mit Hinblick darauf, dass das heute die letzte offizielle Schicht als Volunteer sein wird, schaut Herr S betrübt umher: „Ich bin ein bisschen traurig, dass das die letzte Schicht ist. Ich hatte mich so daran gewöhnt; es ging ja nun auch einen Monat lang. Wahrscheinlich werde ich nächste Woche noch fragen: ‚Wann sollen wir zur Schicht da sein?’”

Doch diese Schicht ist für viele nicht das Ende der Zusammenarbeit! Die meisten würden sich gerne weiterhin ehrenamtlich engagieren: „Bei der Handball-EM”, „Bei der Polizei oder dem Rettungsdienst” „Bei der S-Bahn”, „Bei einem Konzert, vielleicht bei Helene Fischer”. Dass sie zu der UEFA eingeladen wurden, zeigt, wie einfach Inklusion sein kann. Eine Bekannte, die das Team schon von seiner ehrenamtlichen Arbeit bei den Special Olympics World Games 2023 kannte, hat sich um die Anmeldung gekümmert. Ihr hatte vor allem gefallen, wie zuverlässig und munter das Team war. Dieses Feedback bekommen sie nun von anderen UEFA Volunteers auch.

Die Gruppe dreht sich jetzt um und geht noch einmal auf die Tore des Olympiastadions zu: “So, und nun geht’s auf!”, mit diesen Worten begrüßen die Volunteers heute ein letztes Mal die Besucher*innen und Fans der UEFA – und können dort zusammen Teil des großen Ganzen sein.

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