Warum wir unsere Miniröcke wieder aus dem Schrank holen sollten

Y2k ist weg, Recession Core ist da. TikTok und Instagram spülen einen Trend nach dem anderen an Land. Oft vergessen wir dabei, wo sie eigentlich herkommen. Merle Grobecker untersucht, wo zirkuläre und schnelllebige Trends hinführen können, und wem sie eigentlich in die Hände spielen. 

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Röcke und Kleider werden länger, die Farben neutraler, ganze Looks minimalistischer. Kein auffälliges Make-up, keine glänzenden Accessoires, Miniröcke, exzessive Nageldesigns oder Pailletten und Strass, dafür hyperfeminine Silhouetten, die Oberschenkel und Ausschnitt bedecken, dezentere, natürlich aussehende Schönheitsoperationen und dünne Körper. Nach dem Kleiderschrank-Comeback der 2000er kommt der Recession Core. Was wir heute auf Instagram, TikTok, Pinterest und Co. sehen, erinnert an Kleidungsstücke, die auch nach der Finanzkrise 2008 die Laufstege, roten Teppiche und Modemagazine dominiert haben. 

Recession (dt.: Rezession) beschreibt den Moment, in dem die Volkswirtschaft über mindestens sechs Monate hinweg geschrumpft ist. In Deutschland ist das seit 2024 der Fall. Weltweit ist die Wirtschaft schlecht: Mieten und Lebensmittel werden teurer, die Arbeits- und Wohnungslosigkeit steigt. Konsum wird immer mehr zum Luxus, auch der von Kleidung. Core beschreibt einen bestimmten Trend oder eine Ästhetik, die mit dem vorangegangenen Wort assoziiert wird. Die Outfits des Recession Core leiten sich demnach von weniger Konsum aufgrund finanzieller Engpässe ab: Ein langer Rock, der für die Arbeit, den Club und das Café-Date taugt, statt drei verschiedene Outfits, scheint eigentlich wie ein positiver, kurzlebiger Trend, auch Mikrotrend genannt, der sich dem Überkonsum entgegenstellt. Trends, so auch der Recession Core, beginnen aber nicht bei den Konsument*innen, die wirtschaftliche Folgen finanziell zu spüren bekommen, sondern auf Fashionshows und roten Teppichen. Millionen- und milliardenschwere Stars und Modefirmen wollen nah an Verbraucher*innen bleiben und nicht als realitätsfern abgestempelt werden, also verschwinden der teure Schmuck, die auffälligen Kleider und protzigen Marken, weil sich durchschnittliche Konsument*innen weniger leisten können. Was die Stars und exklusiven Modelabels zeigen, adaptieren Fast Fashion Brands und schließlich auch wir in unseren Kleiderschränken. Beispielsweise das in Großbritannien ansässige Modelabel PrettyLittleThing, in der Vergangenheit vor allem bekannt für körperenge, mega kurze und farbige Kleider, verkauft heute Midi- und Maxikleider in neutralen Farben und altmodischen Schnitten. Auch das Design der Website hat sich vom kitschigen 2000er-Look zu dem einer modernen, simplen, aber teuren Marke à la COS gewandelt. 

Minimalistisch, unauffällig und anständig erinnert allerdings nicht nur an die Ästhetik des Recession Core, sondern vor allem an das Familien- und Frauenbild des Faschismus. In dieser Familienideologie wird der Frau ganz klar die Mutterrolle auferlegt. Ihre Aufgaben liegen beim Kochen, Putzen und beim Gebären und Erziehen der neuen Generation von Müttern und Soldaten. Historische Darstellungen von Frauen zeigen sie mit einem Baby auf dem Arm. Das kennen wir heute auch von einer weiteren TikTok-Ästhetik – den sogenannten Tradwives, also scheinbar traditionellen Hausfrauen, die sich auf den sozialen Netzwerken beim aufwendigen Kochen und Backen in altmodisch wirkenden Maxikleidern inszenieren, die eigentlich genauso aussehen, wie Outfits des Recession Core. Vergessen wird dabei, dass das traditionelle Frauenbild nicht nur das Mutter- und Hausfrau-sein impliziert, oder dass bestimmte Kleider in Mode sind, sondern mit der Unterdrückung der Frau einhergeht, und sie klar dem Mann unterordnet. Auch „Make America Great Again” spielt auf etwas an, das wiederhergestellt werden soll: traditionelle Werte. Diese zeigen sich zum Beispiel auch im Cowboycore, bei dem klassisch-konservative Kleidungsstücke und Accessoires aus dem ländlichen US-Amerika wieder zum Trend werden. Viele Länder der Welt rücken momentan stark nach rechts. In Deutschland wird eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für Männer in Aussicht gestellt, während die AFD und die CDU an einem traditionellen Frauenbild festhalten. Sie wollen die Frau als Mutter, nicht als Arbeitende. Sie muss gesittet sein, beschämt, Jungfrau oder eben Mutter und treue, unterwürfige und fruchtbare Ehefrau. Das funktioniert natürlich besser, wenn ihre Schönheitsoperationen konservativer Ästhetik entsprechen, ihre Kleidung nicht glitzert und man nicht zu viel Bein oder Ausschnitt sieht – wenn sie also unauffällig bleibt. 

Recession Core vermischt sich mit anderen Mikrotrends, wie eben dem der Tradwives, dem Cowboycore, Quiet Luxury oder der Old Money Aesthetic. Gemeinsam werden sie zum Makrotrend, also einem langfristigen, globalen Modetrend. Dabei wird vergessen, dass es beim Recession Core eigentlich um einen geringeren Konsum und echte wirtschaftliche Probleme geht. Was übrig bleibt, ist die konservative Kleidung, die die Grenzen von Mode und politischer Ideologie verschwimmen lässt. 

Modetrends prägen sich in den Zeitgeist ein. Und wenn Modetrends patriarchalen, faschistischen und antifeministischen Ideen entsprechen, bohren sich diese Ideologien auch in unsere Gehirne und politischen Denkweisen. Kleidung ist somit nicht einfach nur ein Outfit, sondern ist und war schon immer ein politisches Werkzeug der Unterdrückung oder eben des Widerstands und der Befreiung.

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