Parthenope oder: Wieso Männer aufhören müssen Filme über Frauen zu machen 

Nach Hand of God bringt Paolo Sorrentino einen weiteren Film mit seiner Heimatstadt Neapel als Nebendarstellerin heraus. Nur diesmal ohne Liebeserklärungen an den Fußballgott Maradonna, sondern an eine Frau, deren einziger Charakterzug ist, dass kein Mann ihr widerstehen kann. Merle Grobecker ist genervt von veralteten und misogynen Erzählungen im Kino. 

Quelle: BR.de

Parthenope ist die schönste Frau Neapels. Nicht nur ist sie nach einer Sirene benannt, sondern tatsächlich verfällt ihr jeder Mann, dem sie begegnet. Mal sieht man sie in Zeitlupe aus dem Meer laufen, mal steht sie leicht bekleidet auf ihrem Balkon und raucht still eine Zigarette, mal sitzt sie wie eine Meerjungfrau auf einem Stein. Aber Parthenope ist nicht nur schön, sondern auch schlau: In ihrem Anthropologie-Studium bekommt sie ausschließlich Bestnoten, bis sie schließlich auch promoviert. Immer wieder stellt sie dabei die Frage, was Anthropologie überhaupt bedeutet. Viel mehr erfährt man in dem zweistündigen Film nicht über die Protagonistin. Einzelne Themen werden angeschnitten: das Verhältnis zu ihren Eltern, die erste Liebe, mehrere Schicksalsschläge und schließlich lernt man sie im fortgeschrittenen Alter kennen, als sie ein paar Rückblicke aus ihrem Leben preisgibt. Besonders tiefgründig wird Parthenope allerdings in keiner der Szenen – diese werden von der ständigen Konfrontation mit ihrem Aussehen, den Männern und (deren) sexuellen Begehren überschattet. Wie eine emanzipierte Frau wirkt Parthenope trotz akademischer Erfolge und wenig traditionellem Lebensstil trotzdem nicht, denn ihr fehlt die Stimme. 

Der Film reproduziert patriarchale, misogyne Denkweisen. Immerzu wird Parthenope dem männlichen Blick entsprechend inszeniert, dessen Verlangen sie auch immer nachgibt. Jeder Mann will sie, aber jeder Mann bekommt sie auch – egal ob verwandt, kriminell, wie alt oder taktlos er ist. Was Parthenope über die Männer denkt, bleibt geheim. Nur einem Schriftsteller, zu dem ihre Beziehung zuvor noch rein platonisch wirkt, erklärt Parthenope schließlich, dass sie sich in ihn verlieben könnte – wenn er denn wolle. In einer anderen Szene erklärt Parthenopes Patenonkel, dass sie anders sei als andere Frauen, weil sie zusätzlich zu ihrer Schönheit auch noch schlau sei und studiere. Damit greift der Film gleich mehrere misogyne Ideen auf: Erstens wird das Kleinreden anderer Frauen normalisiert, zweitens die Konkurrenz unter ihnen und drittens beweist der Film, dass Schönsein im Patriarchat von Frauen erwartet wird und wichtig sei. Dass ihr ausgerechnet ein alter weißer Mann erklärt, wie die Welt funktioniert, kennen wir sowieso. 

Fast wirken die Szenen überspitzt, sodass ich zu Beginn dachte, der Film möchte den männlichen Blick herausfordern. Die Ironie oder eine Problematisierung der Inszenierung Parthenopes bleibt allerdings aus. Immer wieder bekommt der Film die Chance, sie als Antiheldin traditioneller Familienideologien und Frauenbilder zu porträtieren, oder auch einfach als eine interessierte Geisteswissenschaftlerin, scheitert aber. Im Endeffekt geht es nur darum, dass die schönste Frau Neapels für jeden Mann zu haben ist. 

Interessant wird es, wenn man sich die Rezensionen des Films auf der Plattform Letterboxd anschaut. Hier fällt auf, dass die Fans des Films eher männlich gelesene Benutzernamen haben, während weiblich gelesene User*innen Paolo Sorrentino raten, keine Filme aus der Sicht von Frauen mehr zu drehen, weil er misogyne Stereotype und Denkweisen reproduziert. Ein User erklärt, Parthenope sei eine Metapher für Neapel. Glaubt man dieser Theorie, bedient sich Sorrentino an einer Metapher, die an frauenverachtende Bilder geknüpft ist, wie sie schon seit Beginn der Filmgeschichte existieren und in der Gesellschaft normalisiert sind. Außerdem würde ich in diesem Fall allen FLINTA*s raten, einen großen Bogen um die Stadt zu machen. Obwohl – eins muss man dem Film lassen: Die Bilder der Stadt am Meer sind tatsächlich wunderschön. 

Autor*in

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert