In der Vergangenheit gab es viele Neuigkeiten zu den Kürzungen im akademischen Bereich. Was kommt jetzt konkret? Richard Eger schafft einen Überblick.

Im Sitzungssaal des akademischen Senats der FU steht die warme Luft der Bürokratie, die 825. Sitzung soll in Kürze beginnen. Immer wieder gehen Menschen aus dem Saal und kommen wieder, es wird viel gemurmelt. Vor dem Eingang haben sich etwa 25 Studierende des Instituts für Anthropologie aufgereiht und halten ein Banner hoch: “Anthro gegen Kürzungen und Rechtsruck”. Einige Minuten später ziehen die Studierenden weiter in den Gästebereich der öffentlichen Sitzung und werden eingeladen, zu ihrem Anliegen zu sprechen. Sowas gäbe es äußerst selten, würdigt ein Mitglied des akademischen Senats den Protest später. Es ist klar, dass das gerade ungewöhnliche Zeiten sind.
Alles begann Ende letzten Jahres. Die ersten Kürzungen waren in Höhe von 107 Millionen Euro angekündigt. Durch eine Anfrage Mitte Mai, die die Linke im Berliner Abgeordnetenhaus gestellt hatte, wurde allerdings klar, dass nochmal etwa 28 Millionen Euro Einsparungen obendrauf kommen werden und zusätzlich 10 Millionen Euro Investitionen wegfallen. Insgesamt werden an den Berliner Unis 135 Millionen Euro gekürzt und 10 Millionen Euro weniger investiert – davon mindestens 37 Millionen Euro an der FU. Eventuell wird sich diese Zahl durch die neuen Zahlen auch nochmals nach oben verschieben. Auf eine Presseanfrage diesbezüglich antwortete uns die FU bis Redaktionsschluss leider nicht.
Für die kommenden Jahre sind ebenfalls Kürzungen angekündigt: 2026 belaufen sich diese für alle Unis auf 81 Millionen Euro und 2027 auf 84 Millionen Euro. Die FU rechnet mit 27 bis 43 Millionen Euro weniger ab 2026.
Was müssen die Unis jetzt erwarten?
Allerdings bedeutet das für jede Uni etwas anderes. Die FU will die Kürzungen für 2025 zur Hälfte aus ihren Rücklagen finanzieren, um die Effekte abzufedern. Trotzdem wurden alle Neuanstellungen erstmal ausgesetzt, sie werden nur noch in Ausnahmefällen genehmigt. Alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen müssen auf ihre Kosten geprüft werden. Jedes Institut soll sechs Prozent ihrer Personalkosten einsparen, woraus sich weitreichende Folgen ergeben. Es können Professuren und somit auch Lehrveranstaltungen wegfallen – die Breite und Vielfalt der Fächer würde dann darunter leiden.
Viele bangen auch um die Anzahl der Studienplätze. Die Linke gibt an, dass die Kapazitäten aller Unis um 20-25 Prozent abnehmen könnten, so würden bis zu 40.000 Studienplätze in ganz Berlin wegfallen. Die Vizepräsidentin der Hochschule für Wirtschaft und Recht rechnet ebenfalls mit solchen Ausmaßen. In der vergangen akademischen Senatssitzung der FU am 18.06.2025 gab das Präsidium selbst erstmals Zahlen an.
Sie rechnen bei den aktuellen Beträgen mit bis zu 14 Prozent weniger Studienplätzen an der FU und den anderen Unis Berlins.
Manche Mitglieder des akademischen Senats rechnen sogar mit noch größeren Ausmaßen. Dazu kommen zusätzlich noch bis zu 40 Professuren, die an der gesamten FU wegfallen – ein gravierender Einschnitt. Bei all dem bleibt zu beachten, dass es jetzt gerade nur um eine Diskussion der Maßnahmen geht, formal werden die Kürzungsmaßnahmen erst im Herbst entschieden.
Kleinere Unis wie die UdK haben jedoch kaum Rücklagen. Einzelne Fachbereiche sind dort massiv eingeschränkt. Beispielsweise muss der Fachbereich Architektur mit fast einem Drittel weniger Geld auskommen. Das heißt unter Anderem: kaum Exkursionen, weniger Geld für Modelle und keine Gastprofessuren mehr.
Die UdK erklärt, dass sie so existenziell bedroht sei, dass sie in Zukunft nicht mal mehr ihre laufenden Kosten wie Personal, Strom und Miete bezahlen, geschweige denn in Sanierung oder Lehre investieren könne.
Auch das Studierendenwerk erhöhte bereits den Semesterbeitrag und die Mensapreise. Ob und wie das StW weitere Sparmaßnahmen umsetzt, die neben der Mensa auch andere Bereiche wie Wohnheime oder Beratungsangebote umfassen könnten, bleibt trotz Nachfrage unsererseits unkommentiert.

Eine Klage als Lösung?
Alle Bereiche, sowohl die Infrastruktur und Beschäftigte als auch die Lehre und die Studierenden, leiden unter der Situation. Aufgrund der drastischen Konsequenzen regt sich Protest, nicht nur die Unis protestieren gegen die Kürzungen, sondern auch die Studierenden. Am 4. Juni rief Studis gegen Rechts, der SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) und der AStA zu einer Demo auf, die von der Mensa II bis vor das Präsidium zog. Im Vorhinein kündigte Präsident Ziegler an, in den Dialog zu treten, bei der Demo zeigte er sich jedoch vor den etwa 500 Leuten und dem von der Polizei bewachten Präsidium nicht. Aufgrund der Dramatik der Lage gründeten der SDS und Studis gegen Rechts nun eine Kürzungs-AG, welche von nun an immer mittwochs, praktisch „Kürzungs-Tag“ genannt, tagen möchte. Eine zentrale Forderung der Studierenden ist, dass die Uni sofort gegen die Stadt klagen solle.
Die Unis schließen diesen Schritt nicht aus, sind jedoch etwas zögerlich. Die TU kündigte bereits an klagen zu wollen, währenddessen sich FU und HU diese Möglichkeit offenhalten. Die FU argumentiert: eine Klage schaffe nur langfristig Klärung, welche sich mitunter über Jahre ziehen könnte. In Unikreisen ist die Hoffnung auf eine Klage zudem begrenzt.
Selbst bei Erfolg der Klage würde das nicht gezahlte Geld nicht rückwirkend ausbezahlt werden.
Bis dahin sind die negativen Auswirkungen aber schon eingetroffen. Die Studierenden, die wegen der geringeren Anzahl an Studienplätzen nicht angenommen wurden, werden nicht zurück kommen. Deswegen setzen sowohl das Präsidium als auch andere Gremien auf Nachverhandlung mit der Politik, um konkrete und kurzfristige Erfolge bzw. Schadensbegrenzung zu erzielen. Einige Gremienmitglieder sehen das als effektiver an, als Druck aufs Präsidium auszuüben, da man dort bereits im direkten Austausch stehe.
Langsam wird jedoch die Zeit knapp, der Doppelhaushalt für die kommenden Jahre wird schon in etwa sechs Wochen verabschiedet, viel Zeit für Diskussionen bleibt da nicht. Außerdem ist die Politik schwer zu überzeugen, besonders, da die Wissenschaft keine richtige Lobby hat. Bisherige Gespräche, die seit Anfang diesen Jahres geführt werden, blieben bisher quasi erfolglos. Weitere Maßnahmen, um mit der Berliner Politik in den Austausch zu kommen werden aber breit diskutiert: Von offenen Briefen über Campustouren mit Abgeordneten bis hin zu Briefen an die Abgeordneten. Um im Unikontext aufzuklären, gibt es am 2. Juli eine offene Gesprächsrunde vom Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften zum Thema für Studierende, Profs und (wissenschaftliche) Mitarbeitende.
Ein Rechtsgutachten der Universitäten räumt der Klage allerdings gute Chancen ein. Zudem dient sie als Druckmittel: Bei der oben bereits genannten Senatssitzung stellte die FU vier Bedingungen vor, die erfüllt sein müssen, damit eine Klage nicht eingereicht wird: Erstens solle die Halteverpflichtung gestrichen werden. Denn die Uni sieht sich aufgrund der Einsparungen gezwungen, weniger Studienplätze anzubieten, da es an ausreichend Kapazitäten fehlt. Aktuell ist sie dazu verpflichtet, die gleiche Zahl an Studienplätzen anzubieten. Zweitens sollten die Kürzungen nicht aus den Rücklagen finanziert werden, da diese bereits fest für andere Dinge verplant sind. Drittens solle es keine weiteren Absenkungen für die nächsten drei Jahre geben. Viertens verlangt die Uni, dass für die Hauptstadtzulage, die auf die Uni zukommt, und die Tarifsteigerungen, also höhere Gehälter für die Angestellten, Vorsorge geleistet wird. Es wird also gefordert, dass diese nicht noch als zusätzliche Belastung auf die Einsparungen gerechnet werden – bei der Hauptstadtzulage wären dies nochmals zehn Millionen Euro weitere Kosten.
Schaut man zurück, sieht es düster aus, nur eins ist klar:
Es wird Kürzungen geben, egal ob geklagt wird oder nicht. Die Politik wird die Kürzungen nie ganz zurücknehmen. Was die Politik bisher allerdings noch nicht ganz verstanden hat: Der Senat kürzt rabiat, erwartet jedoch trotzdem Exzellenz und beste Qualität von der Uni. Dies ist aber angesichts der Kürzungen unmöglich.
Eins sieht man auch überall: die Wut ist groß. Die Diskussionen, Proteste und Verhandlungen werden weitergehen. Es bleibt also weiterhin zu hoffen, dass die Schäden noch abgemildert werden können und der Universitätsstadt Berlin und ihren wichtigen Studierenden nicht allzu viel ihrer Forschung und Lehre abgeschnitten wird. Dann würde sich die Berliner Wissenschaft und Lehre zu der bereits ausrangierten Kultur der Landeshauptstadt aufs Abstellgleis gesellen.