Den richtigen Ton getroffen – Rike van Kleef bei den Linken Buchtagen

Bereits zum 22. Mal fanden die Linken Buchtage im Kreuzberger Mehringhof statt. Mit auf dem Programm: eine Lesung von Rike van Kleef, die ihr Debut-Sachbuch Billige Plätze über die männerdominierte Musikbranche vorstellte. Ein Bericht von Madlen Mink.

Foto: Madlen Mink. Gendergerechtigkeit on a Budget.

Rike van Kleef arbeitet in der Musikindustrie und als Journalistin. Sie ist Aktivistin und, wie ich, eine Konzertliebhaberin. Seit Kurzem darf sie sich außerdem Autorin nennen. Grinsend hielt sie ihr druckfrisch geliefertes Buchexemplar hoch: „Ihr seid die Ersten und könnt es noch vor meinen Eltern in der Hand halten.“ Ihr Buch Billige Plätze – Gender, Macht und Diskriminierung in der Musikbranche ist eine Bestandsaufnahme der Geschlechterverhältnisse sowie Machtstrukturen in der Musikindustrie. Zugleich ist es ein Appell zum Aufbrechen dieser. Das Thema zog viele Interessierte an – nicht nur branchenintern. Die Veranstaltung war kostenfrei und der Raum so befüllt, dass einige Besucher*innen, dem Buchtitel entsprechend, die billigen Plätze auf dem Boden in Anspruch nahmen.

Scheinheilige Diversität

Von der Psychologin Anne Löhr bis hin zur Blond-Sängerin Nina Kummer – Das Buch fängt Stimmen von Festivalbetreibenden, Künstler*innen und vielen weiteren Akteur*innen ein, und macht unterschiedliche Perspektiven sichtbar. Es scheint, als werde die Musikbranche inklusiver und diverser. Mit ihrer Powerpoint als Support stellt van Kleef jedoch die sorgfältig aufgearbeiteten, ernüchternden Zahlen dar: FLINTA* sind in der Musik strukturell unterrepräsentiert. Sei es auf der Bühne in den Genres, Texten und Instrumenten, die diese vorrangig bedienen, oder auch hinter der Bühne – Aufgaben wie Technik, Management und Stagehands – oder auf Festivalplakaten. Letzteres hat van Kleef bereits 2022 in ihrer wissenschaftlichen Studie Wer gibt hier den Ton an? Über die Repräsentanz von Geschlecht auf deutschen Unterhaltungsmusik-Festivalbühnen aufgezeigt. Das Auditorium stimmte den ungerechten Tatsachen kopfschüttelnd zu und raunte an mehreren Stellen auf.

Besonders eindrücklich war, wie sensibel mit schwierigen Inhalten umgegangen wird: Es gab Triggerwarnungen für Kapitel mit Tenoren, die bei einigen Gästen nachwirken können. Trotz Tränen blieb van Kleef hier bemerkenswert professionell. Ihre Emotionalität war durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass sie für ihr Buch drei Jahre lang recherchiert und dabei einiges gehört und selbst erlebt hat. Sie ist Mitbegründerin des Vereins faemm. Ein Netzwerk, welches sich für eine gendergerechte, diverse Kulturbranche einsetzt.

Sichtbarkeit muss gefordert werden

Die offene Fragerunde zum Abschluss bot Platz für konkrete Handlungsempfehlungen: Wie können wir inklusiver werden? Welche Maßnahmen kann jede Person für sich selbst im Alltag einbringen, um mehr Gendergerechtigkeit in der Musikbranche und im Allgemeinen durchzusetzen? Aufgrund der vorangeschrittenen Zeit blieb das letzte Kapitel, welches sich genau darum dreht, mehr oder minder aus. Auch hier war van Kleef mit einem Stapel an empowernden Flugblättern präpariert, die frei zur Mitnahme auslagen.

Darüber hinaus fordert die in Berlin lebende Autorin ein Grundeinkommen für Kulturschaffende als Voraussetzung für deren Freiheiten und Unabhängigkeit. Van Kleef sprach offen über ihre Recherche, ihre eigenen Ängste und Hoffnungen – ebenso wurde die Causa Rammstein thematisiert. Mir wurde bewusst, wie mutig und konsequent sie als „Nestbeschmutzerin“ der Musikbranche und Journalistin ihre Arbeit macht.

Das Buch ist am 30. Mai 2025 erschienen. Folgt bald eine Hörbuchadaption? Bitte mehr davon! Die ersten Exemplare gab es bei den Buchtagen zu erwerben. Wie viele andere Besucher*innen konnte ich nicht anders, und habe mich nach der Lesung auf die Verlagsstand-Suche begeben, um mir meine eigene Ausgabe zu sichern und schonmal neugierig durchzublättern. Besonders die pointiert gesetzten Songzitate von FLINTA*-Acts zu Beginn jeden Kapitels überzeugen mich. Die bloße Dedikation „Für alle FLINTA*, die vor mir kamen, und alle, die noch nach mir kommen“ impliziert schier eine wohlige Aufbruchstimmung.

Die Lesung hat mich nachhaltig beeindruckt und ist absolut empfehlenswert. Wer sich selbst überzeugen möchte: Am 28. Juni spricht Rike van Kleef im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften auf dem Berliner Science Slam im Audimax der TU Berlin und berichtet von ihren Forschungserkenntnissen.

©Billige Plätze ist am 30. Mai 2025 im Ventil Verlag erschienen. Das Buch gibt es für 22€ hier zu kaufen.

☆Rike van Kleef verwendet in ihrem Buch den FLINTA*-Begriff für Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans  und a-gender Personen. Allerdings merkt sie zu Beginn des Buches die ihr bewusste Kritik an jenem teils extensiv gefassten Begriff an. Die Gruppe FemRa Hannover (IG: @feministische_randale) hat eine gut ausgearbeitete, differenzierte Begriffseinschätzung auf ihrem Social Media veröffentlicht

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