Du kannst deine Herkunft nicht verstecken

Illustration: Luis Dams

Mein Name ist Abdul. 2015 bin ich als Geflüchteter von Syrien nach Deutschland gekommen. Jetzt bin ich 31 Jahre alt und lebe mit meinem Sohn und meiner Frau im Wedding. Zurzeit arbeite ich als Bibliothekar.

Der erste Ort, zu dem ich ging, als ich in Berlin ankam, war das LaGeSo (Landesamt für Gesundheit und Soziales), um unsere Papiere einzureichen. Diese Zeit war schwierig. Wir schliefen auf der Straße, weil so viele Menschen gleichzeitig kamen und es nicht genug Angestellte gab, die unsere Fälle bearbeiten konnten. Dann lebte ich für vier oder fünf Monate bei einer deutschen Familie, bis mir eine Freundin eine Wohnung zur Untermiete angeboten hat.

In der Zeit von 2017 bis 2019 schickte ich Hunderte Bewerbungen an fast jede Hausverwaltung in hier in Berlin. Von 50 Bewerbungen wurde ich zu einem Besichtigungstermin eingeladen. Ich reichte meine Bewerbungen ein, aber ich hatte keine Chance eine Wohnung zu bekommen. Schließlich fand ich eine Wohnung wieder nur über eine*n Freund*in. Die Syrer*innen, die ich kenne, denken alle anders darüber: »Vielleicht ist es, weil wir Geflüchtete sind, vielleicht wegen unserer Namen.« Menschen, die darüber entscheiden, wer eine Wohnung bekommt, erkennen ausländische Namen. Wieder andere sagen, dass wir keine Wohnung bekommen, weil wir keinen Job finden.

Aber als ich angefangen habe mich auf Wohnungen zu bewerben, hatte ich einen Job in einer Einrichtung mit gutem Ruf – dennoch: keine Antworten, keine Chance. Anfangs erzählte ich noch, dass ich aus Syrien komme, aber nach einiger Zeit habe ich aufgehört – vielleicht ist der Satz »Ich komme aus Syrien« nicht so gut. Doch wenn du dich online bewirbst, musst du deine persönlichen Dokumente beifügen, die deine Herkunft anzeigen. Du kannst sie nicht verstecken.

Nach all der Zeit des Wartens kam 2019 meine Frau in Deutschland an. Ich fand eine kleine Wohnung und mietete sie, aber ohne Vertrag – von einem*r Freund*in. Mit Immobilienfirmen hat es nie für mich geklappt. Dort zu leben war stressig, da meine Frau schwanger war. Die Bedingungen waren schlecht für ein Baby: kein Licht oder Platz. Meine Kolleg*innen versuchten mir zu helfen und was Neues zu finden. Einmal fand ich eine Wohnung und fragte eine Kollegin, da mein Deutsch nicht so gut war, ob sie den*die Vermieter*in anrufen könne. Ihr wurde gesagt, ich solle meine Bewerbung schicken. Also ging ich zurück auf die Website, doch fünf Minuten später war die Wohnungsanzeige weg. Ich sagte ihr: »Es scheint, dass die Anzeige verschwand, als du meinen Namen erwähnt hast.«

Einmal musste ich mir für drei Wochen Urlaub nehmen, weil ich es neben meinem Vollzeitjob nicht geschafft hätte zu 20 Wohnungsbesichtigungen zu gehen. Es waren viele Leute bei den Besichtigungen und ich realisierte, dass ich keine Chance gegen deutsche Personen habe. Ein*e Freund*in erzählte mir von Statistiken in einem Spiegel-Artikel: »Du hast keine Chance, wenn auch eine europäische Person oder ein*e deutsche* Student*in bei der Besichtigung anwesend ist.«

Wenn du abgelehnt wirst, wird dir kein Grund dafür genannt, weil dieser ›illegal‹ ist. Vielleicht denke ich positiv, dass viele Leute in großen Städten keine Wohnungen finden, Deutsche eingeschlossen – also ist es vielleicht nichts gegen mich.

Trotzdem sind vor allem meine syrischen Freund*innen anderer Meinung. Sie erzählen von ihren eigenen Erfahrungen von Absagen auf Grund ihrer Namen, Nationalitäten, ihrem Glauben oder Aussehen. Ich will das nicht so sagen, weil ich nicht genau sagen kann, ob der*die Mitarbeiter*in wirklich etwas gegen Geflüchtete hat. Allerdings bin ich mir sicher, dass es Leute gibt, die nicht verstehen können, warum oder dass Menschen von ihrem Zuhause flüchten müssen. Vielleicht sind unsere Verständnisse von Diskriminierung anders. Ich glaube, dass ihr sensibler auf diese Themen reagiert, weil mir, als ich hier nach all meinen Erfahrungen in Syrien mit Flugzeugen und Bomben angekommen bin, viele Dinge egal waren.

Zu Beginn von 2020 schrieb ich ein paar Bewerbungen über eine Website und schickte ihnen Papiere von meiner Frau und mir. Meine Frau trägt eine hiǧāb. Vorher, mit nur meinem Foto in den Papieren, wurde ich auf eine von 20 bis 30 Wohnungsbesichtigungen eingeladen. Nachdem ich das Foto meiner Frau hinzufügt hatte, nicht mehr. 

Das Problem liegt also nicht nur am Namen, es steckt mehr dahinter.