Studierter Sex im Angebot

Studenten arbeiten nicht nur als Kellner oder Eisverkäufer. Einige sind auch im Rotlichtmilieu tätig oder können es sich vorstellen. Das Ergebnis der Studie „Nebenjob: Prostitution“ des „Studienkollegs zu Berlin“ kommentiert Margarethe Gallersdörfer.

„Prostitution“ – eines von den wenigen Worten, das einem noch ungeteilte Aufmerksamkeit verschaffen kann, wenn man es nur laut genug ausspricht. Sehr laut ausgesprochen hat es am vergangenen Mittwoch das „Studienkolleg zu Berlin“. Diese Einrichtung für begabte Studierende aus Deutschland und Europa hat eine ungewöhnliche Studie vorgestellt, an der 3600 Studenten aus Berlin, Paris und Kiew teilgenommen haben.

Gefragt wurde, ob sie sich das Studium mit Jobs im Rotlichtmilieu finanzierten. Das Ergebnis ließ ein Rauschen durch den medialen Blätterwald gehen: 3,7% der Befragten in Berlin verdienen sich nebenher durch Telefonsex, Escort-Service und ähnliche Dienstleistungen etwas dazu. Und was für noch mehr Aufsehen sorgte: etwa ein Drittel der Befragten in Berlin gab an, sich einen Job in diesem Bereich vorstellen zu können. Nein, wie verrucht. Fast ist man versucht, sich in der U3 mal heimlich umzusehen und durchzuzählen, wer da in Frage käme.

Die Wahrheit ist: moralische Empörung ist jetzt wohlfeil. Egal, ob man sexuelle Dienstleistungen an sich unsittlich findet oder sich fragt, was wohl die Studis dazu treibt, ihren Körper zu verkaufen. Aber ist sie angemessen? Klar ist: Prostitution in Deutschland kann eine sehr hässliche Fratze haben. Drogen, Krankheiten, Ausbeutung Minderjähriger und illegaler Einwanderer – das alles ist Realität, die nicht verharmlost werden darf. Soll sie auch nicht. Denn hier geht es nicht um verzweifelte Frauen (und einige Männer), die keine andere Möglichkeit haben.

Sicher befinden sich auch unter den Studierenden einige, die aus Not heraus handeln: 30% der Befragten, die sich prostituieren, haben Schulden. Die Übrigen könnten auch anders Geld verdienen. Zwar werden „normale“ Studentenjobs meist erbärmlich vergütet, doch nur die Hälfte der akademischen LiebesarbeiterInnen muss ohne die finanzielle Unterstützung der Familie auskommen. Spätrömischer Sittenverfall also?

Gleichauf mit der Antwort „finanzielle Notsituation“ lagen „Spaß am Sex“ und „Suche nach Abenteuern“. Und selbst wenn es bei den meisten vermutlich nie über’s Fantasieren hinausgehen wird, so zeugt doch auch das erstaunliche Drittel aller Befragten, die sich solche Jobs vorstellen könnten, von etwas völlig anderem: Lust (auf Abenteuer). Neugierde. Von einem Selbstverständnis und einem Verhältnis zum eigenen Körper, das die Mehrheit der Gesellschaft mit Argwohn betrachtet. Ob es deswegen verwerflich ist, ist fraglich.

Berlin, du bist so dekadent? Kann man so sehen: in unserer Metropole tummeln sich sexuelle und andere Freigeister, das war schon zur Jahrhundertwende so. Und Tagungen und Kongresse schwemmen potentielle Kundschaft für ein studentisches Escort in die Stadt. Da geht es (natürlich nicht nur, aber vor allem) darum, am fremden Ort nicht alleine zu sein, um die Begleitung zu gesellschaftlichen Anlässen und Gespräche mit einem gebildeten Menschen, der gute Manieren hat. Viele, die als Escort gearbeitet haben oder es immer noch tun, empfinden ihre Tätigkeit als interessant und abwechslungsreich.

Es bleibt Sex für Geld und damit unvorstellbar für die meisten. Und dass solche Tätigkeiten genügend Schattenseiten haben, zeigen auch die Antworten in der Studie des „Studienkollegs zu Berlin“. Eine davon: Stigmatisierung.
Ich werde weiterhin Kellnern oder Babysitten vorziehen. Aber auf jemanden herabzuschauen, der aus freier Entscheidung seine Gesellschaft und seinen Körper für einen Abend anbietet: dazu besteht kein Grund.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

2 Responses

  1. i sagt:

    Wirfst du immer nur mit Gift um dich?
    Sieh es doch mal so: ohne die Leute, die diese Artikel schreiben (egal wie gut oder schlecht sie sind), wärst du ja auch arbeitslos. Geb es diese Website nicht, dann hättest du ja keine Gelegenheit mehr irgendwas zu kommentieren und niederzumachen. Also lass deine sinnlosen Kommentare stecken. Wenn deine Kritik nicht konstruktiv ist, kannst du sie dir gleich sparen..

  2. näppisch sagt:

    “Aber auf jeman­den her­ab­zu­schauen, der aus freier Ent­schei­dung seine Gesell­schaft und sei­nen Kör­per für einen Abend anbie­tet: dazu besteht kein Grund.”
    Das stimmt.
    Es gibt nämlich Studenten, die sind in einem noch viel schmutzigeren, unmoralischeren und (HAHA!)schlechter bezahlten Buiz tätig: Dem Journalismus. Und im Gegensatz zu den leichten Damen und Herren vom Escort-Service können sich einige von denen sogar vorstellen auch nach dem Studium hauptberuflich käuflich zu bleiben.
    Aber so ist das eben mit krummen Geschäften: Man kommt schlecht wieder raus.
    “Fast ist man ver­sucht, sich in der U3 mal heim­lich umzu­se­hen und durch­zu­zäh­len, wer da in Frage käme.”
    Uäx. Lieber nicht…

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