Liebe Kommiliton*innen ,
nichts bleibt für die Ewigkeit, alles vergeht – eine eigentlich recht banale Wahrheit, die jedoch oft nur schwer zu begreifen ist. Mit dem Wissen um die eigene Vergänglichkeit zu leben, gehört zu den schwierigsten Aufgaben, vor die das Leben uns stellt.
Schon im Barock setzten sich Künstler*innen mit der Vanitas, der Vergeblichkeit, auseinander. Für sie war sie allerdings nicht allein Grund zur Verzweiflung, sondern auch Chance, im Angesicht der Vergänglichkeit das Leben in allen Zügen zu genießen. Auch in dieser Ausgabe möchten wir uns mit der Vergänglichkeit und dem, was sie für unser heutiges Leben bedeutet, beschäftigen.
Gerade die letzte Zeit hat uns vor Augen geführt, wie vergänglich auch die Gesellschaft ist, in der wir leben. In einer Welt, in der Donald Trump, der Brexit und die AfD wüten, scheint es manchmal, als würden Politik und Gesellschaft, wie wir sie kennen, sich bald auflösen. Demokratische Werte und Rechte, die wir für selbstverständlich halten, sind plötzlich in Gefahr. Auch die Pressefreiheit wird mit der Verhaftung von Deniz Yücel und der Behandlung von Journalist*innen in den USA wieder in Frage gestellt. All das lässt uns die Vergänglichkeit der Strukturen, die wir kennen, spüren.
Der Gedanke an Vergehendes fordert die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod. Dazu gehört auch, sich mit unserer Geschichte und der Erinnerungskultur auseinanderzusetzen. Wir sprachen mit dem Kölner Künstler, der das Stolperstein-Projekt zur Erinnerung an die ermordeten Juden und Jüdinnen initiiert hat und haben uns die Stolpersteine in nächster Nähe zum Campus angesehen. Lest auf Seite 10-11 die Geschichten zweier jüdischer Menschen, die von den Nazis aus Dahlem vertrieben wurden.
Seit sich der Konflikt in Syrien zugespitzt hat und immer mehr Menschen dazu gezwungen hat, ihre Heimat zu verlassen, finden viele von ihnen ein neues zu Hause in Berlin. Wir sprachen mit zwei Studentinnen aus Damaskus darüber, was für sie Vergänglichkeit bedeutet. Erinnern wandelt sich auch in unserem digitalen Zeitalter zunehmend. Was passiert eigentlich mit meinem Facebook-Account oder meinen Fotos auf meiner Festplatte, wenn ich sterbe? Diese und weitere Fragen über unser digitales Erbe könnt ihr auf Seite 8 lesen.
Der ursprüngliche Vanitas-Gedanke beschreibt die christlich-jüdische Vorstellung von Vergänglichkeit. In unserem Titelinterview auf Seite 9 haben wir mit einem Religionswissenschaftler über das Leben nach dem Tod gesprochen und gefragt, warum auch Religionen vergehen. Diese Frage haben wir auch an vier Menschen vom Campus gestellt – und alle vier glauben etwas anderes. Die Antworten findet ihr auf Seite 14-15.
Unsere Ressorts haben sich ebenfalls mit interessanten Themen beschäftigt. 50 Jahre nach Benno Ohnesorgs Tod, der einer der Auslöser für die 68er Protestbewegung war, fragen wir uns auf Seite 16: Wie sieht Protest eigentlich heute an der FU aus? Auch unsere ewige Ehemalige, feministische Aktivistin und Mitgründerin der taz, erzählt, weshalb wir auf die Straße gehen sollten. Ihr Portrait ist auf Seite 25 zu lesen. Des Weiteren haben wir uns auf die Spuren der Kunstsammlung von Rudolf Mosse begeben, deren Werke von den Nazis gestohlen und weiterverkauft wurden. Wir hinterfragen außerdem, wie die Weltkarte, mit der wir groß geworden sind, die Proportionen der Länder falsch darstellt und welche sozialen Konsequenzen das mit sich trägt. Mehr dazu auf Seite 30.
Wir wünschen euch allen viel Spaß beim Lesen unserer 18. FURIOS-Ausgabe.
Hannah Lichtenthäler und Hanna Sellheim
Titel
„Wir haben ein Leben aus Fotos verloren“
„Die Religion ist ein Bollwerk gegen den Tod”
4 aus 40.000
Politik
„Die Meinungsforschung hat nicht versagt”
Campus
Zwischen äußerem Verfall und innerem Werden
Wo bin ich hier gelandet
Ewige Ehemalige: Die feministische Vorreiterin
Kultur
Auf den Spuren der geraubten Werke
„In der jüngeren Generation nimmt kaum noch jemand ein Buch in die Hand“
Die geklaute Rubrik: Torten der Wahrheit
Wissenschaft
Die Weltkarte hat uns die ganze Zeit belogen