Mit dem neuen Berliner Hochschulgesetz dürfen keine unbezahlten Lehraufträge mehr vergeben werden. Damit der Lehrbetrieb nicht zusammenbricht macht man am Otto-Suhr-Institut nun Schulden. Von Charlotte Johann.
Es ist nichts Neues im Berliner Hochschulbetrieb, dass Verbesserungen an der einen Stelle Verschlechterung an der anderen bedeuten. Die Exzellenzinitiative hat uns das gezeigt, genauso die Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG). Ein wenig erinnert die voranschreitende Schöpfung der wirtschaftlich effizienten Universität an die griechische Sage von König Midas, dem ein Gott die Fähigkeit verlieh, alles, was er berührte, in Gold zu verwandeln. An Ende verhungerte er.
Die schlecht oder gar nicht bezahlten Lehrbeauftragten sind neben den Studenten die Hauptverlierer der Sparmaßnahmen an deutschen Hochschulen. Die Situation der Politikwissenschaftler am Otto-Suhr-Institut (OSI) war dabei bisher ein besonders katastrophales Beispiel für die zunehmende Prekarisierung im akademischen Betrieb. In jedem Semester blieben 50 bis 60% der Lehraufträge unbezahlt.
Die im Mai verabschiedete BerlHG-Novelle verpflichtet die Universitäten nun, nur noch bezahlte Lehraufträge zu vergeben. Nachdem das Präsidium zusätzliche Mittel für die Lehre verweigert hatte, musste der Institutsrat entscheiden: die Lehre auf ein nicht mehr vertretbares Maß reduzieren oder ein Angebot verabschieden, dass das Institut nicht bezahlen kann. Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstige Mitarbeiter und Professoren entschieden sich einstimmig für Letzteres. Der Weg ist riskant, denn das Institut wird im nächsten Semester große rote Zahlen schreiben. Und es wird sich damit im Fachbereich, im Präsidium und im Senat damit keine Freunde machen. Denn irgendjemand wird am Ende des Semesters die Schulden ausgleichen müssen.
Dennoch: Die Entscheidung des Gremiums ist richtig. Wegen der doppelten Abiturjahrgänge und der Abschaffung der Wehrpflicht wird das Institut im Herbst mehr Studenten aufnehmen müssen als in den vergangenen Jahren. Dabei würde das Lehrangebot, dass das Institut finanzieren könnte, nicht einmal ausreichen, um die höheren Fachsemester zu versorgen.
Es stellt sich die Frage, ob eine noch kurzsichtigere Bildungspolitik von Zöllner und Co überhaupt möglich ist. Offenbar hatte man die nächstliegenden Folgen des neuen Gesetzes übersehen. Dass aus unbezahlten nun bezahlte Lehraufträge werden würden – für die wiederum kein Geld da ist. Wenn das nicht einiges über Kenntnis der Senatsverwaltung über den Lehrbetrieb ihrer Unis aussagt. Das Universitätspräsidium mag sich damit herausreden, dass es gegen das trotz Widerstand von Zöllner durchgedrückte Gesetz nichts ausrichten kann. In seiner Stellungnahme zum Berliner Hochschulgesetz wird jedoch die Unmöglichkeit, unbezahlte Lehre ohne zusätzliche Mittel bezahlbar zu machen, mit keinem Wort erwähnt.
Der Institutsrat des Otto-Suhr-Instituts hat über alle üblichen Grabenkämpfe zwischen Professoren und Studierenden hinweg bemerkenswerte Entschluss- und Konsensfähigkeit bewiesen. Senat und Präsidium sollten dem Institut seine Finanzierungsstrategie durchgehen lassen. Alles andere wäre ein weiterer Schritt hin zum Hungertod des Berliner Hochschulsystems.
Und wenn wir eines aus der Rhetorik der deutschen Wirtschaftspolitiker während der Finanzkrise gelernt haben, dann ist es doch dieses: Wenn die einzige Alternative der Systemzusammenbruch ist, ist Schulden machen ein Muss.
Der Berliner Senat hat hier kurzsichtig gehandelt, richtig. Das könnte aber auch damit zu tun haben, dass die Zahl der Lehraufträge am OSI und das damit einhergehende Gewicht, welches diese im Lehrangebot ingesamt haben, weitgehend einzigartig in der Berliner Hochschullandschaft ist.
Oder anders ausgedrückt: da dieser Teil der Novelle nahezu ausschließlich das OSI betrifft, war es Senat und Präsidium eventuell einfach gar nicht bewusst, was sie damit anrichten.