Das Semesterticket wird fortgeführt. Doch statt damit zu gewinnen, manövriert sich die Berliner Studierendenschaft letztlich nur in weitere Macht- und Hilflosigkeit, meint Matthias Bolsinger.
Die gute Nachricht zuerst: Auch in Zukunft dürfen die Studierenden der Freien Universität mit dem Semesterticket durch Berlin tingeln. Die Urabstimmung ergab ein klares Ja (96,5%; Wahlbeteiligung: 27%). Der aktuelle Vertrag der Studierendenschaft der FU mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB), der in diesem Wintersemester ausläuft, wird bis zum Wintersemester 2014/15 fortgeführt. In der Rückmeldung zum folgenden Semester ist das Ticket gleich mit enthalten. Das erspart den FU-Studierenden nicht nur einen Mehraufwand, sondern auch Geld (alleine 91 Euro würde das VBB-Umweltticket kosten – im Monat). Ein Grund zum Feiern?
Die schlechte Nachricht: Der VBB verteilen keine Geschenke. Bis zum Sommersemester 2014 steigt der Preis fürs Semesterticket von derzeit 168 bis auf 179,40 Euro.
Die noch schlechtere Nachricht: Wieder einmal muss sich die Berliner Studierendenschaft der Monopolmacht des Verkehrsverbundes beugen. Während die Preissteigerungen um wenige Prozentpunkte wie der stete Tropfen den Widerstand nur allmählich aushöhlen, entblößt die größere Perspektive die Hilflosigkeit der Studierenden. Nach einem Sommersemester ohne Ticket nahm man Ende 2005 dann doch das Angebot des VBB über 141 Euro an. Noch vor nur sieben Jahren war ein Semesterticketpreis von 109 Euro für die Verkehrsbetriebe wohl noch rentabel – und für die Gegenseite locker bezahlbar.
Hilflos ist die Studierendenschaft einerseits durch die mangelnde Unterstützung des Senats, andererseits durch die Monopolstellung des VBB. Die Politik denkt nicht einmal daran, den Berliner ASten bei den Verhandlungen unter die Arme zu greifen. In Potsdam sieht das schon anders aus, das Land hilft dort eben mit. Die Folge ist ein günstigeres Semesterticket, das sowohl für Brandenburg als auch Berlin gilt.
Ein Sieg? Ein Witz!
Der Berliner Verkehrsmonopolist hätte ein Nein, einen Tritt in den Hintern mehr als verdient. Spätestens wenn nach der ersten Schneeflocke die S-Bahnen wieder kränkeln, wird einem fröstelnd klar werden, dass der konstanten Preissteigerung kein verbesserter Service entgegensteht. Nicht einmal außerhalb des ABC-Bereiches gilt das Ticket, was das Mindeste an Entgegenkommen wäre. Über dieses Upgrade wurde beispielsweise an der HU abgestimmt. Für diese Option zu stimmen, bringt aber nur einer Minderheit der Studierenden etwas. Klar, bei dann verbindlichen 42 Euro mehr für die Brandenburg-Option für jeden HU-Studierenden hört bei den meisten studentischen Geldbeuteln auch jedwede Solidarität auf. Ein Aufpreis, an dem der VBB weiter verdienen wird.
Doch ein Nein war keine reale Alternative, zu teuer wäre der Kauf von Monatstickets. Keine Chance, kein Aufbegehren. Die Politik hat die Berliner Studierenden allein gelassen, der VBB kommt erneut mit anmaßend-willkürlicher Preisgestaltung durch und werden weiterhin in regelmäßigem Abstand den Wehrlosen in Desperado-Manier den Revolver an die Brust halten – „Mehr Geld oder noch mehr Geld!“ Das Ja der Urabstimmung ist pragmatisch. Und trotzdem kann kein noch so eindeutiges Ergebnis ein Sieg sein, sondern nur die nächste hilflose Kapitulationsurkunde. Das Semesterticket mag gerettet sein, die von ihm Abhängigen sind verloren. Man kann der an materielle Sachzwänge gefesselten Studierendenschaft keinen Vorwurf machen. Aber einen Grund zum Feiern gibt es nicht.