Die Wahl Günter M. Zieglers zum neuen FU-Präsidenten war eine vertane Chance zum Leidwesen der Studierenden, findet Victor Osterloh. Wenn sich etwas ändern wird, dann höchstens zum Schlechteren.
Berlin-Dahlem, 2. Mai, 17 Uhr. Die Spannung im erweiterten Akademischen Senat (eAS) hält sich in Grenzen. Zu Recht: Die Wahl ist schon entschieden, bevor sie angefangen hat. Der neue Präsident steht seit Februar fest, da waren die Kandidat*innen gerade aufgestellt. Damit ist die Wahl Zieglers vor allem Ausdruck der Machtverhältnisse an der FU. Schließlich suchte die Professor*innen-Liste „Vereinte Mitte“ eine*n Nachfolger*in für den scheidenden Peter-André Alt, fand ihn in Ziegler und setzte ihren Kandidaten konsequent durch. Die Liberal-Konservativen in der Professor*innenschaft zeigten damit erneut, dass sie Grundsatzentscheidungen ohne größere Diskussionen im Alleingang durchsetzen können.
Kein echter Neuanfang
Die Mitglieder des eAS demonstrierten mit ihrer Wahl aber auch, dass ihnen wenig an einer partizipativen Hochschule gelegen ist. Unterschied sich Zieglers Gegenkandidatin Tanja Brühl in ihrer strategischen Ausrichtung – Exzellenz, Tenure-Track, Vernetzung – nicht groß von ihrem Kontrahenten, so versprach doch zumindest ihr Blick von außen und ihr Wille zur Einbindung der Studierendenschaft so etwas wie einen echten Neuanfang.
Wird hingegen Ziegler auf das zerrüttete Verhältnis von Studierenden und Präsidium angesprochen, will er das Ganze nicht so schwer sehen. Der neue Präsident möchte einfach mal „reden“ und einen Reset-Button drücken. Er sieht beide Seiten in der Verantwortung, findet aber, dass sich die Studierenden auch nicht immer gleich so zu echauffieren brauchen, wenn sie der Meinung sind, zu wenig Lohn zu bekommen. Mit Ziegler haben die eAS-Mitglieder jemanden gewählt, der „nur Stärken an der FU” sieht. Probleme? Nein, das nennt sich neuerdings Herausforderung. Jede Diskussion über eine Veränderung der Machtverhältnisse im AS wird im Keim erstickt. Dabei ist die Unzufriedenheit groß, in allen Statusgruppen rumort es. Während Brühl beinahe schockiert schien von der Situation des Akademischen Senats und konkrete Vorschläge für die Einbindung aller Statusgruppen machte, findet der neue Präsident, dass in dem wichtigsten Gremium der FU einfach zu wenig diskutiert wird.
Für seine Kandidatur hat sich der Mathematiker noch schnell den Managerduktus zugelegt (“Exzellenz, Internationalität, Diversität, Gemeinschaft, Attraktivität”), der inzwischen längst nicht mehr nur die Spalten des Handelsblatts bevölkert. Den braucht er auch, um zum Beispiel im Tagesspiegel-Interview Studiengebühren und „mehr Diversität” in nur einem Satz unterzubringen.
Effizienz und Marketing
Anstatt für die echten Probleme der Studierenden konkrete Lösungen zu formulieren, lanciert Ziegler bei jeder Gelegenheit sein neues Konzept: Studierendenmarketing. Davon abgesehen, wie entlarvend und aufschlussreich diese Terminologie für das heute gängige Verständnis von Bildung ist: Noch viel interessanter ist der Zweck dieses Unterfangens. Die Auslese der „richtigen Studierenden“ soll helfen, die Kosten dieser lästigen Lehre zu mindern. Da die Studierenden sich trotz Bologna immer noch nicht richtig eintakten lassen und einfach zu lange oder eben zu unvollständig studieren, muss man jetzt an die Studierenden selbst ran. Wenn es nicht reicht, die Art zu ändern, wie Universität organisiert wird, um die nötige Effizienz in der Produktion von Absolvent*innen zu erreichen, dann müssen folgerichtig die geändert werden, die durch dieses System geschleust werden.
Von diesem großen Plan abgesehen, sieht es nicht aus, als würden von Ziegler viele neue Impulse ausgehen. Als Thronfolger Alts wird er dessen Erbe fortführen und die Studierenden können sich wohl einstellen auf weitere vier Jahre der Konfrontation, der geschaffenen Tatsachen und der mangelnden Partizipation.