Die BVG sehnt sich nach Liebe

Ein Musical als Werbeveranstaltung? Kann das funktionieren? Die BVG hat es am 4. und 5. Dezember im Admiralspalast ausgetestet. Neben einer Tram, einem Fahrkartenautomat und einer U-Bahn als Hauptcharaktere war für FURIOS auch Line Grathwol da.

„Die BVG ist die stärkste Droge der Welt.”

„Warum?“

„Nimmste enen Zug und wech biste.“

Die Autor*innen des neuesten Marketing-Moves der BVG hatten auf jeden Fall ihren Spaß mit flachen Witzen und unzähligen Wortspielen. Die Hauptfiguren des hauseigenen BVG-Musicals heißen also: Tramara, Bus-tav und U-laf. Den Witz mit der Droge erzählt ein Fahrkartenautomat. Der Titel: Tarifzone Liebe – Die Gefühle fahren Straßenbahn. Die Handlung? Besagte Tramara verliebt sich in einen Fahrgast. Um ihm sein verlorenes Portemonnaie zurückzubringen, weicht sie von ihrer Route ab und wird daraufhin auf eine andere Linie degradiert. Aus Protest büxt sie aus, um sich auf die Suche nach der Liebe zu machen. Die findet sie allerdings erst, als sie nach Berlin zu ihrem Lieblingsfahrgast zurückkehrt. Durch ihr Abenteuer gerät der gesamte öffentliche Verkehr in Berlin aus den Fugen – oder besser gesagt Schienen. 

Nur am 4.und 5. Dezember wurde das Musical im Berliner Admiralspalast aufgeführt – die Tickets waren sofort ausverkauft. Zuhause konnte man das Spektakel über einen Livestream verfolgen und irgendwann soll es auch auf Youtube hochgeladen werden. Vor rund 1.300 Gäst*innen, Influencer*innen und Franziska Giffey fand am Montag, den 4. Dezember die, wie die BVG sie nennt, U-Aufführung statt.

Musik oder Marketing?

Mit der Musik hat das Marketingteam der BVG schon seine Erfahrungen gemacht. Schon vor sieben Jahren landete es mit der Single Is mir egal mit Kazim Akboga einen Hit und verpassten nicht nur Berlin, sondern ganz Deutschland einen Ohrwurm. Das Musical steht in derselben Tradition und hat mit Tarifzooone Lieeebe auch eindeutig Ohrwurmpotential. Laut BVG-Marketing- und Vertriebsleiterin Christine Wolburg soll es zu Zusammenhalt, Rücksichtnahme und Wertschätzung aufrufen. Passend zur besinnlichen Weihnachtszeit. Denn der Ton in Berlin sei in der letzten Zeit rauer geworden.

Raue Töne konnten auch an den ersten Tagen dieses Wintersemesters an der FU gehört werden. Die für die meisten FU-Studis essenzielle U3 fuhr in diesen Tagen nur im Zehnminutentakt und auch nur jede zweite Bahn tatsächlich bis zur FU. Die Bahn und die BVG waren Gesprächsthema Nummer 1. Der Gesprächston war genervt, frustriert und definitiv verärgert. Und das ist er meistens, wenn über die BVG gesprochen wird.

Die Tatsache, dass es sich bei der Veranstaltung um pures Marketing handelt, wird im Musical allerdings charmant aufgegriffen. „Ist das hier eine BVG-Werbeveranstaltung?“ „Ja“ wird an einer Stelle im Stück geklärt. Selbstironisch wird damit gespielt, dass auch die BVG ihre Probleme hat. Das ganze Stück ruft zu einem freundlicheren Blick auf die BVG auf. Im Stück verursacht die verliebte Tram Tramara auf der Suche nach der Liebe ein großes Öffi-Chaos. Ist das eigentliche Ziel der BVG also allen Fahrgäst*innen ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn sie sich das nächste Mal über einen ausfallenden Bus beschweren? Denn wenn die Möglichkeit besteht, dass der verspätete Bus sich in Liebessachen verirrt hat, ist es gleich viel schwerer, sich über ihn aufzuregen. Besonders wenn man dabei eine Musicaldarstellerin im BVG-gelben Kostüm, einer Tramvorderseite um den Kopf und auf Rollschuhen vor Augen und einen Ohrwurm im Kopf hat. 

Romantisch oder toxisch?

Eigens für das Musical wurden neun Lieder geschrieben. Von Rap über Techno zu Pop und Schlager ist alles dabei. Und auf der Bühne werden stark überspitzt die Klischees von Berlin dargestellt: verwirrte Touris, smarter Start-up Gründer, schwerhörige Oma in Leo Leggins und die coole Berliner Göre. Alles ist kitschig, bunt, laut, viel zu viel – und funktioniert dadurch perfekt. Das Publikum jubelt, klatscht mit und am Ende gibt es Standing Ovations.

Das Versagen der BVG wird also durch eine Stunde voller Musik, Tanz und bunter Kostüme positiv umgedeutet. PR at it’s best. Auch wenn die Message eine gute ist. Denn mit dem Musical soll auch die Beziehung zwischen Berlin und der BVG beschrieben werden. Als Liebesgeschichte. Außerhalb des Admiralpalastes sieht die allerdings vielleicht ein bisschen weniger rosig aus. Vielleicht nennen wir sie sogar toxisch. Denn so wirklich bemerken wir die Öffis ja nur, wenn sie nicht so funktionieren, wie sie sollen. Im Bus auf meinem Nachhauseweg steigt eine Frau auf jeden Fall beschwingt in den Bus und singt dem verdutzten Busfahrer entgegen: „Tarifzooone Lieeebe“. Für einen kurzen Moment zumindest hat die BVG ihr Ziel erreicht. Die Frage ist, wie lange diese Gefühle anhalten.

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