Post vom Präsidenten

Peter-André Alt rechtfertigt in einem Rundbrief sein resolutes Vorgehen gegen die Besetzer des Seminarzentrums und zeigt sich versöhnlich. Eine schöne Gelegenheit, neu über Bildungsprotest nachzudenken, findet Hendrik Pauli.

Nein, da haben wir uns nicht verguckt, als wir am vergangenen Donnerstag eine Email von unserem Präsidenten im Posteingang entdeckt hatten. Üblicherweise nutzt der Präsident diesen Kanal für allerlei Newsletterartiges: für das fällige Grußwort zum Semesterbeginn oder den Hinweis auf den neuen Internetauftritt der Uni. Das ist liebenswert, aber in der Regel uninteressant.

Dass sich Alt nun zur polizeilichen Räumung des Seminarzentrums äußert und damit auf Vorgänge jenseits seiner Schreibtischkante reagiert, ist also bemerkenswert. Im Anschluss an die studentische Vollversammlung am 16. November hatten etwa 60 Personen der „Occupy FU“-Bewegung das Seminarzentrum in der Silberlaube besetzt. Nachdem das Präsidium zu verstehen gegeben hatte, dass es diese Art des Protests nicht dulden würde, hatte Alt in den späten Abendstunden das Hausrecht durch eine Hundertschaft der Berliner Polizei durchsetzen lassen. Damit blieb dem FU-Raummanagement Ärger erspart und den Besetzern der Kater nach ihrem anarchischen Protest-Happening. Die Bilder der monatelang dahinsiechenden Hörsaal-Besetzung 2009/10 sind den meisten noch in guter Erinnerung.

Prima Recycling

Nach „FU brennt“ vor zwei Jahren ist „Occupy FU“ der nächste Aufguss des studentischen Wutbürgers. So lässt sich auch der Forderungskatalog vom letzten Mal prima recyceln und in etwa auf folgenden Nenner bringen: Alles für alle und alles umsonst, solange man will. Das soll dann auf eine Art Revolution des Bildungssystems hinauslaufen.

Der Anblick brustbepanzerter Uniformträger an einem Ort des Geistes ist selbstverständlich verstörend. Dass es bei polizeilichen Zwangsmaßnahmen auch mal etwas robuster zugeht, liegt in der Natur der Sache; dass sich die Delinquenten im Nachgang darüber empören, ebenfalls. Der Präsident stellt sich in seinem Rundbrief der Empörung; das zeugt von Format. Bei der Gelegenheit erneuert er ausdrücklich das Dialogangebot, das er seinen Kritikern bereits zu seinem Amtsantritt gemacht hatte. Das ist gut und sollte ermuntern, es wahrzunehmen.

Gesalbter Appell

Alts Appell, die Universität als communitas, als Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden zu verstehen, klingt zwar gesalbt, ist aber im Kern pragmatisch: Er nimmt seine Kritiker in die Verantwortung und bittet zu sachlicher Auseinandersetzung. Doch wessen Zorn sich nicht nur gegen den vermeintlichen Ausverkauf der Uni richtet, sondern gleich auch gegen Bankenkriegemieterhöhung, bei dem wird die Botschaft ungehört verhallen. Der neuerliche Aufruf, sich konstruktiv einzubringen, löst zwar noch kein einziges Problem. Doch der Ton, den Alt damit setzt, ist für die Auseinandersetzung mit Missständen hilfreicher als jeder auf Systemkritik gebürstete Besetzungs-Flashmob.

So taugen die als kreative Protestform verbrämten Übersprungshandlungen lediglich als Beispiel, wie man es in Zukunft nicht mehr machen sollte. Sie können zu innovativen, weniger krawalligen Protestansätzen anspornen. Wenn man beispielsweise ernsthaft militärische Forschung vom Campus verbannen will, warum dann nicht als singuläre Kampagne über mehrere Jahre, als spezialisierte Lobby-Gruppe, die ihr Thema kontinuierlich zu platzieren vermag?

Protest und Widerspruch sind das Privileg der Jugend. Zeigten sie sich demnächst mal in einem unverbrauchten Gewand, wäre das ein Fortschritt für die politische Kultur an der FU. Damit hätte der Besetzungsversuch samt nachfolgendem Polizeieinsatz zur Abwechslung etwas erreicht.

Selbes Thema, andere Meinung: Kommentar von Max Krause vom 30.11.2011

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

4 Responses

  1. egal sagt:

    oh, hendrik pauli ist zurück. entsprechend ist der artikel ausgefallen. und übersieht dabei zwei dinge:
    – wenn schon die polizei das seminarzentrum räumt, warum muss alt dann darauf bestehen, dass alle besetzer_innen eine anzeige bekommen? hausfriedensbruch ist kein offizialdelikt (wie etwa körperverletzung oder sachbeschädigung), d.h. polizei und justiz werden nur aktiv, wenn der hausrechtinhaber anzeige erstattet. und selbiger kann die anzeige auch jederzeit zurückziehen.

    – viel wichtiger ist aber: es hat nicht den geringsten sinn, als schwächere gruppe an die (jeweils) mächtigen heranzutreten und diese um verbesserungen anzubetteln. nichts anderes wäre bzw. ist aber ein dialog in peter-andré alts sprechzimmer. verbesserungen der lebensumstände werden erkämpft, das war schon immer so – vom 8-stundentag über den fall der mauer bis zum “arabischen frühling” anfang des jahres.

  2. sabrina sagt:

    Ja, der Artikel spricht nach ,einem Empfinden die Sprache der Ignoranz.

    Der Autor blendet völlig aus, während er doch bemerkt, dass die Forderungen tws. vom letzen Sreik übernommen wurden, dass sich eben NICHTS geändert hat.
    Also ist der Protest doch legitim. Die vorgeschobene Gesprächsbereitschaft eines Alt dient nur der Glättung der Wogen und solchen Argumentationen, die auch hier im Artikel getätigt werden.
    Ich frage mich natürlich auch, wo der wissende Autor war, als der Dialog mit Alt einmal offiziell bestand (z.b. Runder Tisch).
    Zumal hat ein Großteil der Studierendenschaft vor knapp einem Jahr in der Urabstimmung (“Für eine solidarische FU”) formal gezeigt, dass Veränderungswunsch besteht – diesem Folge zu leisten, hat Alt unterlassen.
    Die Dialogbereitschaft wird stets angebracht, wenn “die Hütte” brennt.
    Insofern ist es geschmacklos von seiten des Autors hier lediglich mit dem DU-Du-Finger zu mahnen. Konstruktiv wäre es bspw. gewesen sich selbst persönlich und journalistisch einzubringen.
    Also, mach mit und krittel nicht von außen sonder auch mal von innen!

  3. Jutta sagt:

    Ich gratuliere meiner Vorschreiberin. Sie spricht die Sprache der Visionen, der Artikel spricht die Sprache der Gewalt und des Kapitalismus – und wer wüsste nicht, dass beides schlecht ist?

  4. Sabrina sagt:

    Nun, der Autor kommt wohl auch nicht mit seinem Blick hinter seinen Arbeitstisch hinaus.
    Man merkt es dem Artikel an, das ein Gespräch mit den Beteiligten und Alt als Voraussetzung für einen gelungenen und recherchierten Artikel sinnvoll gewesen wäre.
    das eben muss man als Journalist wissen. Dialogbereitschaftn ist nicht nur bei gesellschaftlichem Veränderungswillen notwendig – nein auch als Diskurspartitipant ist es unausweichlich auch hinter die Dinge zu sehen.
    Die Schlussfolgerung am Ende des Artikels ist wirklich grotesk – man verlege man diese Logik ins Land Ägypen o.ä. – der Artikel ist gehörig daneben gegangen!

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