Aus den USA schwappt der neueste Bildungstrend zu uns hinüber: „Massive Open Online Courses“ sollen die Hochschul-Lehre in den kommenden Jahrzehnten revolutionieren – hoffen zumindest ihre Erfinder. Von Francis Laugstien
Die digitale Revolution ist bekanntlich am Leben des Studierenden nicht spurlos vorbeigegangen. Homo Sapiens Academicus ist nicht mehr der papierverarbeitende Bücherwurm der Vergangenheit, sondern hat sich den Bedingungen des Medienzeitalters angepasst. Setzt sich die neueste Idee amerikanischer Bildungspioniere durch, wird seine Zukunft mehr denn je unter dem Vorzeichen des Internet stehen.
„Massive Open Online Course“ (MOOC) heißt der neuste Trend. Dahinter steckt eine simple, aber vielversprechende Idee: Statt Bildung nur in den eigenen vier Wänden anzubieten, sollen die Unis sie im World Wide Web zugänglich machen. Vorlesungen werden aufgezeichnet und mitsamt Lehrmaterialien hochgeladen. Die Studierenden können so selbst entscheiden, wann und wo sie die Veranstaltung „besuchen“ möchten. Noch besser ist, dass der Vortrag nun endlich an den eigenen Lernrhythmus angepasst werden kann. Hat man etwas nicht verstanden, spult man einfach zurück. Muss man den Stoff erst einmal verdauen, drückt man auf Stopp. Die Dozenten profitieren ebenfalls von der neuen Technik. Statt in jedem Semester die gleichen Standardvorlesungen zu halten, können sie nun mehr Energie in Forschung und weiterführende Angebote investieren.
Die FU hat die Vorteile von Onlinekursen längst erkannt. Gerhard de Haans Einführungsvorlesung in die Erziehungswissenschaften findet in diesem Semester zu Hause am PC statt. Bereits im Sommer wurde der Kurs Investition und Finanzierung am Institut für Wirtschaftswissenschaften von einem digitalen Tutorium begleitet. Als universitätsinterne Angebote sind beide allerdings noch keine echten MOOCs.
Lehre soll sich nicht grundlegend ändern
Auch wenn die FU Onlineangeboten positiv gegenübersteht, soll es nach eigenen Angaben keine grundlegenden Veränderungen in der Ausrichtung der Lehre geben. Digitale Angebote werden als Ergänzung zum bisherigen Programm verstanden. Sollte der Pfad der MOOCs weiter beschritten werden, müssten zudem einige prüfungsrechtliche Fragen geklärt werden. Wie soll verhindert werden, dass jemand anderes die Prüfung ablegt oder das Hilfsmittel benutzt werden? MOOCs an anderen Unis bringen deshalb in der Regel auch keine ECTS-Punkte ein.
Probleme gibt es aber auch an anderen Stellen. Kritiker bemängeln, dass bei Kursgrößen von manchmal mehr als 10.000 Teilnehmern eine angemessene Betreuung der Studenten unmöglich sei. Darüber hinaus fühlen sich kleinere Unis durch die mögliche Globalisierung der Bildung bedroht. Wie sollen sie noch Studenten finden, wenn plötzlich jeder Kurse in Harvard oder Cambridge belegen kann?
Wie die Zukunft am Ende auch aussehen mag, die Studierenden werden nicht darum herum kommen, sich an sie anzupassen. An der FU haben einige Professoren angefangen, die Weichen zu stellen. Ob aus dem Trend eine Revolution wird, liegt letztlich in den Händen der Hochschulleitung.