Erkenntnissuche und Ekstase

Franziska Montermann* hat sich auf einer Weihnachtsfeier im Espresso-Glühwein-Dampf verloren. Oder war es nur ein Weihnachtstraum? Ein Freitext zur dritten Ausgabe unserer Adventsserie. 

Illustration: Lotta Feibicke

Auf der verzweifelten Suche nach Gerstensaft hatte es mich an diesem Dezemberabend von der FU bis nach Berlin Mitte verschlagen. Nirgendwo hatte man mir Bier aushändigen wollen, nur tassenweise Glühwein war mir hinterher gekippt worden. Und in mich hinein. Dabei wollte ich mich doch nur betrinken, wie in den anderen elf Monaten des Jahres! Von Kälte und rotem billig-Fusel betäubt landete ich schließlich auf der jährlichen Weihnachtsparty der FSI Germanistik in den Hallen der Humboldt-Universität.

Meinem Wunsch nach einem Bier gab der studentische Hilfsbrauer (m/w) auch hier nicht nach, da die Hopfenbrause ihm zufolge in diesem Rahmen völlig unpassend sei! Und auf einmal trafen mich die billigen Zusatzstoffe des Weihnachtspunsches. Sind die Worte “Punsch” und “Panschen” eigentlich verwandt? Wie in Charles Dickens Raum-und-Zeit-Reise mit dem Geist der Weihnacht waberte ich durch die lärmende Party.

Die Espresso-Glühwein-Kontroverse

„Schon wieder eine gewöhnliche Weihnachtsparty mit dir, die immer wieder the same is! What else haben wir zu bieten?“ fragte mich überraschender Weise ein Topf mit Espresso-Glühwein-Mischung kurz aber intensiv, um sich selbst bei aller Weihnachtsstimmung mit dem anderen Advents-Kram zu messen und hervorzustechen. Sein Drang nach Aufmerksamkeit war so unbegründet und unerforscht wie die Farbe des bräunlichen Tasseninhaltes selbst.

Ein reiner Glühwein entgegnete duftend „Die Bescherung ist angerichtet, ich bin eben doch einfach bunter als du braune Plörre! Ich verdiene mehr Aufmerksamkeit!“ und rekelte sich elegant in seinem anmutigen Glühwein-Wärme-Bottich auf dem Festtagstisch, um sich bei nächster Gelegenheit in den Rachen eines Kenners zu stürzen.

Welches der beiden Getränke sollte mir die Kehle kitzeln? Ich beschloss, dem Geist der Glühwein-Espresso-Kontroverse auf dem Grund zu gehen: Wie war dieses Getränk beschaffen, dass es meinen Schädel so zum brummen bringen konnte? Und zum Summen. Oder war ich das selber? Ja, ich war es, der da immer lauter summte, schrie und sang!

Voll im Rausch

Unter ständig neu geleerten Glühweintassen verfiel ich in eine Art ekstatischen Rausch. Also fing ich an mal Sopran, Alt, Tenor oder Bass im Kirchenchor zu singen und gleichzeitig auch zu hören. Ich sah wunderschöne Engel jeglicher Art, die mich ganz in den Bann zogen, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Es geschahen Auseinandersetzungen und Zusammensetzungen mit angehenden Jungakademiker*innen, während ich freilich schon zusammengeklappt in einer Ecke lag.

An der Erschaffenskunst dichterischer Feinlyrik glanzvoller Schreiber*innen beteiligte ich mich schon garnicht mehr. Ich übte mich nur noch im Beobachten der Menschen, die mich umgaben. Gebildet waren viele, hervor stachen wenige. Die Germanist*innen bewegten sich erhaben, zeigten sich im Lichterschein, redeten in geballter Sanftmut und kleideten sich in smoother Extravaganz. Vorbei stiegen sie an meinem jungen Körper, der zu früh dem in meinem inneren glühenden Wein zum Opfer gefallen war. Zum Glück verfiel ich bald einem Schlaf im weihnachtlichen Treiben. Es segnete mich ein Traum mit einem Touch von Glühweinschaum.

* Der Name wurde von der Redaktion geändert. Der*die Autor*in möchte anonym bleiben.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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