Kein Moshpit im Wohnzimmer

Wackeliger Livestream und Geträller zu ein paar Akkorden: Lena Marie Breuer fehlt bei Online-Konzerten das Erlebnis. In einem entwürdigenden Selbsttest hat sie geschaut, ob da noch was zu retten ist.

Verschüttetes Bier und schlechte Sicht auf die Bettbühne. Foto: Lena Marie Breuer

Großveranstaltungen sind bis einschließlich August abgesagt. Was danach kommt, weiß niemand. Und auch, wenn es größere Probleme auf der Welt gibt, – habe bei Twitter was von einer globalen Pandemie gelesen – sind einige sicherlich traurig, weil das ein oder andere Konzert ausfällt oder auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Dass es da kein Trost ist, sich den wackeligen Livestream der Lieblingsband bei Instagram anzusehen, bei der nur zwei Bandmitglieder zu sehen sind und von einer Akustikgitarre begleitet vor sich hin trällern, war eigentlich von Anfang an klar. Und ja, auch die abgefilmten YouTube-Konzerte bieten nicht das richtige Feeling. Aber sind wir daran nicht selbst schuld? Wer in Jogginghose auf dem Sofa sitzt und Limette-Hibiskus-Tee trinkt, sollte sich eigentlich nicht beschweren, dass das Konzerterlebnis fehlt. Ich habe in einem ziemlich erniedrigenden Selbsttest herausgefunden, ob da noch was zu retten ist. 

Die Vorbereitung (17 Uhr)

Vorbereitung ist alles. Dafür suche ich mir natürlich erstmal ein passendes Konzert aus. Ich habe mich für eines von “Die Ärzte” von 2007 entschieden. Wer sich lieber Scooters “Hyper Hyper” im Livestream antut, kann das natürlich auch gern tun. Ich würde allerdings davon abraten. Als nächstes öffne ich die Biere, die ich heute Abend trinken möchte, und verteile eine halbe Flasche davon neben meiner Toilette. Ja, da fehlen noch einige Flüssigkeiten, aber ich würde hier gern weiterhin wohnen. Da ich relativ klein bin, stelle ich den Laptop ins Schlafzimmer und beobachte das Konzert durch den Flur vom Wohnzimmer aus. Die Band sehe ich kaum noch, alles wie immer. Langsam wird mir warm ums Herz.

Der Zwischenstopp (18:30 Uhr)

Normalerweise würde ich jetzt wahrscheinlich vor der Max-Schmeling-Halle, mit all den Leute die ich gerade so vermisse, ein Spätibier in ein Sturzbier verwandeln und darüber reden, wie toll das gleich alles wird. Problem: Die Leute fehlen. Lösung: Gibt es nicht, aber ein Sturzbier kann ich auch alleine trinken. Ab diesem Punkt hole ich mir Hilfe von meinem Freund “Filex” – sein Name wurde geändert, damit er anonym bleibt – und erzähle ihm begeistert, dass ich gleich Farin Urlaub live sehen werde. Da ich ihn mehr oder weniger gezwungen habe, mich bei diesem Experiment zu unterstützen, lächelt er verständnisvoll. Mehr Enthusiasmus ist leider nicht drin. 

Schnell den Stempel beim Hausmeister geholt und dann das Bier in die Luft gestreckt. Foto: Lena Marie Breuer

Der Einlass (19 Uhr)

Ich brülle mich selbst an, dass ich schneller trinken soll, weil ich rein will. Da ich nicht schnell trinken kann, bin ich böse auf mich selbst und habe dementsprechend einen schlechten Platz. Ich hänge meine Jacke an die Garderobe und da ich mal wieder nicht vorausgedacht habe, verbringe ich den Rest des Abends mit einer sehr unpraktischen Umhängetasche. Ich gehe an die Bar und warte eine halbe Stunde, bis ich mir ein Bier bestelle. Schlange stehen gehört absolut dazu, solange man nicht in Bad Oldesloe den Klängen ehemaliger DSDS-Gewinner lauschen möchte. Dann nehme ich mir ein Bier, das seit 17 Uhr offen ist und schütte es in einen Plastikbecher. Natürlich so, dass ordentlich was daneben geht und der Becher klebt. Anschließend werfe ich sechs Euro aus dem Fenster. Während ich in der Kloschlange 45 Minuten warte, trinke ich das Bier aus und denke daran, dass etwas an der Situation falsch ist. Normalerweise ist jemand hinter mir, der gut einen im Tee hat und mich mit zusammenhangslosem Zeug volllabert. Da ich keine fremde, betrunkene Person zu mir nach Hause einladen kann, spiele ich zwei Podcasts gleichzeitig ab.  

Das Konzert (20:15 Uhr)

Den Anfang des Konzerts habe ich natürlich verpasst, weil ich zu lange vor dem Klo gewartet habe. Moshpit-Erfahrungen bleiben leider aus, weil Filex sich weigert, mich mit voller Wucht auf den Boden zu werfen. Meinen Plan, dass er sieben Tage lang nicht duscht und anschließend oberkörperfrei vor mir rumhüpft, weil ich wirklich immer den Schweiß von fremden Leuten abkriege, hat er auch nicht akzeptiert. Ist vielleicht besser so. Ich höre mir eine Weile die Musik an, langsam werde ich müde. Doch das Wichtigste fehlt noch: Musik voll aufdrehen und tanzen. Nach ca. zwei Minuten und 40 Sekunden steht mein Nachbar, der übrigens genauso aussieht wie Chandler Bings aus Friends, vor mir und fragt mich in stark erhöhter Lautstärke, ob ich Lack gesoffen hätte. Ich beschließe, das Experiment an dieser Stelle abzubrechen. 

Das Fazit (viel zu früh)

Ich werde natürlich weiterhin jammern, weil Konzerte ausfallen, auf die ich mich gefreut habe. Denn egal, wieviel Mühe man investiert, niemand kann zu Hause ein eigenes Konzert nachstellen, tut mir leid!  Was du stattdessen tun kannst: Die Musik deiner Lieblingsbands so oft hören, bis du sie auswendig kannst, dann bist du wenigstens auf die Ersatztermine vorbereitet. 

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