Die Zukunft der Berliner Hochschulen entscheidet sich an der Wahlurne

Am Sonntag wählen die Berliner*innen ein neues Abgeordnetenhaus. Die Entscheidung an den Wahlurnen wird sich auch auf den Unialltag auswirken. Was können Studierende von den fünf großen Parteien erwarten? Ein Vergleich der Wahlprogramme von Sophie Hommerich und Dune Korth.

Am Sonntag wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Foto: Julian Sadeghi, Montage: FURIOS

Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin doch noch das neue Hochschulgesetz (BerlHG) verabschiedet. Die Weichen für einige dominierende Fragen wie das Promotionsrecht für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften oder eindeutigere Vorgaben zur Entfristung von Forschenden wurden damit gestellt. Auch eine jährliche Steigerung der Grundfinanzierung der Hochschulen um 3,5 % wurde bis 2027 bereits beschlossen. Doch Details zur Finanzierung und Verankerung der neuen Regelungen werden erst durch die Hochschulverträge zwischen der Stadt und den Hochschulen festgesetzt – und deren Verhandlung fällt in die nächste Legislaturperiode.

Ein Schritt zu mehr demokratischer Teilhabe?

Gerade für die Demokratisierung der Hochschulen könnte der Ausgang der Wahl entscheidend sein. Die Linke und die Grünen konnten sich in den Verhandlungen zum Hochschulgesetz nicht gegen den Koalitionspartner SPD durchsetzen. Die von Studierendenvertreter*innen geforderte Viertelparität in zentralen Hochschulgremien, die studentische Teilhabe an den Entscheidungsprozessen der Hochschulen garantieren würde, fehlt in dem neuen Gesetz. Die beiden Parteien fordern nun, diese stattdessen in die Hochschulverträge aufzunehmen. Die Grünen fordern zudem eine verbindliche Nachhaltigkeitsstrategie, während die Linke Studierenden die Möglichkeit einräumen möchte, sich die politische Arbeit als Studienleistung anrechnen zu lassen. 

Die CDU und FDP hingegen setzen eher auf eine Rückkehr zur durch das neue BerlHG entkräfteten Erprobungsklausel. Die CDU betont die Autonomie, die den Universitätsleitungen durch „entschlackte” Hochschulverträge zustünde. Die FDP plant sogar ein neues „Hochschulfreiheitsgesetz”.

Zwischen Wissenschaft und Wirtschaft

Die beiden Oppositionsparteien wollen so auch Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft fördern. Diese Zusammenarbeit stellt sich die CDU „so intensiv wie möglich” vor, gerade im Bereich der Mobilitäts- und Klimaforschung. Für die FDP soll die Start-Up-Kultur noch stärker Einzug in das Unileben halten: Forschenden soll künftig ein Gründungs-Sabbatical möglich sein und die teils umstrittenen Gründungsstipendien an Hochschulen sollen ausgeweitet werden. Die enge Kooperation von Universitäten mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen sieht die FDP nicht als kritisch, vielmehr solle diese noch weiter ausgebaut werden. Auch die SPD kündigt an, den „Wissens- und Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft” weiterentwickeln zu wollen.

Anders sehen das wiederum Linke und Grüne. Beide Parteien fordern mehr Transparenz über Drittmittelfinanzierung und wollen die Grundfinanzierung der Unis ausbauen. Die FDP möchte das Finanzierungsprinzip „Geld folgt Studierenden“ etablieren, weshalb sie sich im Bund für einen Finanzausgleich für die überdurchschnittlich hohe Zahl Studierender an Berliner Universitäten bemühen möchte. 

#IchBinHanna jetzt auch in der Politik

Die mediale Aufmerksamkeit für die #IchBinHanna-Debatte, in der wissenschaftliche Mitarbeiter*innen auf die oft schwierigen Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft hinwiesen, scheint ihre Wirkung gezeigt zu haben: Bis auf die CDU, die auch auf Bundesebene das umstrittene WissZeitVG verteidigt, wollen alle anderen demokratischen Parteien Tenure-Track-Professuren zum Standard machen. Diese ermöglichen einen direkteren Weg zur Lebenszeitprofessur und können so verlässliche Perspektiven bieten. Die Linken möchten den Anteil der entfristeten Stellen verbindlich auf 45% erhöhen. 

Auch für Promovierende könnten sich die Bedingungen bald verändern. Die SPD fordert die Betreuung in Promotionskomittees anstelle von der aktuell üblichen Abhängigkeit von einem Lehrstuhl. Die Linke schlägt vor, das Lehrstuhlprinzip in eine Faculty-Struktur umwandeln und auch die Grünen fordern mehr Unabhängigkeit in der Qualifizierungsphase.

Die Zukunft ist digital

Die Pandemie hat vielen die Notwendigkeit einer schneller voranschreitenden Digitalisierung der Hochschullandschaft vor Augen geführt. Die SPD möchte digitale Lehre bald durch einen Zukunftsfonds Digitalisierung finanzieren und darüber hinaus über das Berliner Zentrum für Hochschullehre (BZHL) die Lehrkompetenzen der Dozierenden stärken. Für die Grünen soll Digitalisierung stets mit Nachhaltigkeit zusammen gedacht werden. So streben sie im Bereich der Digitalisierung eine stärkere Integration von Klimaforschung, Daten- und Verbraucherschutz sowie gesellschaftlichem Zusammenhalt an. Die FDP möchte die Hochschulen durch direkte Investitionen in die technische Infrastruktur für die Zukunft wappnen und die CDU spricht sich für einen Strategieplan mit festem Zeitrahmen aus. Bei den Linken wird das Thema Digitalisierung an Hochschulen nur kurz aufgegriffen, sie fordern mehr Unterstützung für digitale Lehrformate und sagen zu, sich auf Bundesebene weiter für den Digitalpakt Hochschule einzusetzen. 

Zu den Studienbedingungen

Für Studierende, die als Erste in ihrer Familie studieren, plant die SPD durch Programme wie firstgen oder Arbeiterkind besondere Unterstützung. Auch die Linke will die Hochschulen zugänglicher machen, insbesondere für Geflüchtete, und sieht außerdem die Einführung eines Orientierungsstudiums vor. Außerdem sollen Studierende laut ihnen von einer höheren Zahl an Wohnheimplätzen, einem günstigeren Semesterticket und wegfallenden Rückmeldegebühren profitieren. Die Grünen schlagen eine Grundsicherung für Studierende und Auszubildende sowie mehr Beratungsangebote vor. Die FDP möchte die Studienbedingungen durch durchgängig geöffnete Bibliotheken und eine vereinfachte Anrechnung der im Ausland erbrachten Studienleistungen verbessern. Nur Studierende mit besonders hohem Erfolg im Studium sollten nach Meinung der CDU durch ein gesondertes Unterstützungssystem weiter gefördert werden. 

Ein Leben in „Brain City Berlin”?

Alle Parteien streben eine engere Kooperation der Wissenschaft in Berlin an. FDP, CDU und SPD heben die (internationale) Wichtigkeit von berlinweiten Forschungskooperationen wie der Berlin University Alliance hervor, die sie weiter ausbauen wollen. 

Die SPD wünscht sich eine moderne Wissenschaftskommunikation nach Vorbild des Wissenschaftscampus am Naturkundemuseum. So soll die Nähe zu Berliner*innen gefördert und die Wissenschaft als „Citizen Science” etabliert werden. Auch ihre letzten Koalitionspartner wünschen sich eine stärkere Einbindung der Zivilgesellschaft, beispielsweise über ein Forum (Grüne) und das Programm „Wissen für Berlin“ (Linke). Auch die CDU möchte durch Museumskooperationen mehr Menschen über neue Forschungsergebnisse informieren. 

Die Linke fordert zudem eine Open-Science-Initiative für Berlin, ohne auf Details einzugehen. Die Grünen wollen besonders diejenigen Forschungsprojekte finanziell und personell unterstützen, die ihre Ergebnisse hinterher frei zugänglich zur Verfügung stellen. 

Selbstgesetzte Schwerpunkte

Die CDU setzt viele inhaltliche Schwerpunkte, von denen vor allem die MINT-Fächer profitieren könnten. In ihrem Programm finden sich Vorschläge zur Stärkung von Künstlicher Intelligenz (KI) in Lehre und Forschung, sie möchte Berlin zur „Quanten-Hauptstadt” machen und ein neues Institut für Aerosolforschung gründen. Erwähnung finden im Wahlprogramm auch die konfessionellen Hochschulen, über die die Theologie stärker gefördert werden soll. Auch in die DDR-Forschung möchten die Christdemokraten investieren. Außerdem lehnen sie einen vermeintlichen „Genderzwang” an Universitäten ab. 

Sollte Berlin weiterhin rot-rot-grün regiert werden, steht möglicherweise eine Förderung pluraler Theorien in der Ökonomik an. Alle drei Parteien wollen hier Schwerpunkte setzen. Die Grünen möchten außerdem ein Förderprogramm für sozial-ökologische Forschung entwickeln und Initiativen für Klimaneutralität am Campus stärken. Für die Linken sind vor allem kritische Ansätze wie in der Friedens- und Konfliktforschung oder den Gender Studies wichtig. Die SPD will Projekte in Black Studies, Bioethik, KI und Wasserstofftechnologie fördern.

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