Shirin David geht in die Offensive

Amtierende Königin des Deutschraps oder ungerechtfertigter Hype? Mit Bitches brauchen Rap läutet Shirin David eine neue Ära ihrer Karriere ein und bezieht dabei Stellung zu feministischen Themen. Von Dominique Riedel.

Shirin David braucht den Rap. Illustration: Anna-Lena Schmierer/Joshua Leibig

Schon das Intro Babsi Bars leitet in die Gesamtstimmung des zweiten Studioalbums Bitches brauchen Rap von Shirin David ein. Der Klang und die Beats sind hart, eher angelehnt an klassischen Hip-Hop. Empowerment, Alltagssexismus und Selbstbestimmung sind der thematische Grundtenor fast aller Tracks. 

Shirin David zeigt sich selbstbewusst und kritisiert stereotypische Erwartungshaltungen und Widersprüche mit Lines wie: „Das Radio will uns nur weinerlich und so zerbrechlich” und „boys werden nicht ma‘ boykottiert, sind sie Frauenschläger“. Möglicherweise in Anspielung auf die im Sommer 2021 entfachte Debatte unter dem Hashtag #DeutschrapMeToo, in der sexualisierte Gewalt innerhalb der Deutschrapszene thematisiert wurde. Sie solidarisierte sich von Anfang an mit mutmaßlichen Opfern.

Shirin David scheint in dem Album all das zu verarbeiten, was sie die letzten Jahre bewegt hat. Mit Vorurteilen sieht sie sich ständig konfrontiert, denn ihr Können wird aufgrund ihres Aussehens oft unterschätzt oder als fake betitelt. Auf Instagram zeigt sie sich ihren 5,8 Millionen Follower*innen freizügig und macht kein Geheimnis aus ihren Schönheits-OPs. Shirin David weiß genau, dass sie mit ihrem nach eigener Aussage „ultrafemininen” Look provoziert. Sie stellt in dem bereits bekannten Hit Ich darf das klar: „Ja, ich hab das Recht, immer zu tun und zu lassen, was ich will. Allgemein bringen die Texte zum Ausdruck, dass die ständige Reduktion auf ihr Äußeres sie – zu Recht – mächtig nervt.

Transparenz als Kontermethode

In mehreren Passagen reflektiert Shirin David Erfahrungen innerhalb der Musikbranche. Sie geht offen damit um, dass sie das Songwriting nicht allein übernimmt, und reagiert auf Vorwürfe rund um das Ghostwriting ihrer Texte. Sie spricht in Lieben wir von „Album ist Teamwork“ und auf dem Track Bitches brauchen Rap heißt es: „Transparent trotz millionenschwerer Reichweite / Es gibt keinen Menschen in meinem Team, den ich geheim halte.“

Auch ruhigere und melodischere Songs mit R-‘n’-B-Einflüssen, in denen ihre gesangliche Qualität zum Vorschein kommt, finden sich im Album wieder. Überraschend sind die Features mit Shindy, mit dem sie lange Zeit zerstritten war, und der Berliner Rapperin Kitty Kat in Be a Hoe/Break a Hoe. Kitty Kat war als erste Frau beim Label Aggro Berlin unter Vertrag, doch in den letzten Jahren kaum noch präsent in der Hip-Hop-Szene.

Im Deutschrap angekommen

In Bramfeld Storys rappt Shirin David über ihren Weg an die Spitze.

Bramfeld Storys setzt am Ende noch ein Highlight. Die Zeilen „Die sagen, dass ich ein Produkt bin, künstlich wie mein Hintern / Doch ich bin eine Künstlerin, die Optik ist ein Blickfang“ eröffnen zu einem neunminütigen, autobiografischen Song, in dem sie auf gleichmäßigem Beat über ihren bisherigen Werdegang und erste Auftritte in der Öffentlichkeit rappt.

Der Stil hat sich im Gegensatz zum Debütalbum stark gewandelt und punktet durch tiefgründige Texte mit mehr Persönlichkeit. Es gelingt Shirin David im zweiten Album, eine andere Facette von sich zu zeigen, und es scheint, als hätte sie ihre Stimme gefunden. Für alle, die hinter ihr perfekt gestyltes Erscheinungsbild blicken möchten, lohnt es sich, die Tracklist anzuhören. 


Bitches brauchen Rap ist Shirin Davids zweites Album und am 19.11.2021 bei Universal Music erschienen.

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