Der Umzugsmarathon

„Beurlaubt“ steht auf ihrem Studentenausweis für das nächste Semester. Ein halbjähriges Praktikum beim World Future Council führt Viola Köster nach Brüssel. Zunächst aber musste ihr gesamter Hausstand zurück in die norddeutsche Provinz verfrachtet werden- nach Rotenburg. Schwieriger als gedacht: Ein Umzug mit Hindernissen.

Erschöpft aber glücklich? Unsere Autorin Viola Köster nach erster überstandener Etappe in Rotenburg.

Erschöpft aber glücklich? Unsere Autorin Viola Köster nach erster überstandener Etappe in Rotenburg.

Text und Foto: Viola Köster.

Im Schnellverfahren musste ich im Juli/August die letzte Klausur schreiben, eine Hausarbeit zusammenbasteln, sämtliche Verwaltungsgänge erledigen, Antragsbriefe schreiben und meinen kleinen Hausstand zusammenkramen. Jegliche Art von Semesterferienstimmung hat sich schon dabei dezent hinter Laptop und Umzugskarton zurückgezogen.

Ein Fahrstuhl ohne Anstand und Einsicht

Doch als sei der übliche Formalitätennerv nicht genug, war der erste Umzug aus meiner kleinen Plattenbau-Studentenbude im 13. Stock ins idyllisch-kleinbürgerliche Rotenburg Wümme schon mit zusätzlichen Schwierigkeiten verbunden: Denn wie befördert man ohne Fahrstuhl bis oben hin gefüllte Pappkisten und Blumentöpfe dreizehn Stockwerke nach unten? Wie so manches Mal setzten natürlich gerade an meinem Tag X beide Wohnheimsfahrstühle aus, wogegen ich bereits Tage zuvor vehement angebetet hatte. Besaß diese Technik denn nicht mal in „Extremsituationen“ ein wenig Anstand und Einsicht in gerechte Arbeitsteilung? Stufe für Stufe und Schweißtropfen für Schweißtropfen mussten die Kisten somit per pedes und Armkraft geschleppt werden. Warten bis der Technikschaden behoben war, kam nicht in Frage. Waren doch meine fleißigen Helfer extra für diesen einen Termin angerückt – und auch der Autoanhänger musste noch in der Nacht zurückgebracht werden.

Stehen geblieben in Brandenburg

Das Stichwort „Autoanhänger“ leitet auch schon Extremphase II dieses Umzugsurlaubs ein: Er war um einiges zu schwer für den elterlichen Renault. Dies führte dazu, dass ich mich auf dem Rücksitz mit den Nägeln ins Sitzpolster festkrallen musste, um nicht mit den Sprüngen des Autos mitzugaloppieren und mir den Kopf an der Wagendecke zu stoßen. Denn die Unebenheiten auf dem Asphalt übertrugen sich – verstärkt durch den Hebel des Anhängeranschlusses – vom Anhänger auf das Auto. Als wir nach einiger Zeit merkwürdige Geräusche aus Richtung Motor hörten, hielten wir auf einem kleinen Rastplatz im niedersten Brandenburg an, um nachzusehen, was nun schon wieder kaputt war. Zu erkennen war für Autonormalverbraucher zunächst einmal wenig. Beim erneuten Anfahren schnellte der Motor jedoch so aufjaulend in die Höhe, dass wir vor Panik einer Explosion alle aus dem Wagen sprangen. Da konnten nur noch die gelben Engel helfen – für 800€ Abschleppgebühr, oder eine nächtliche Reparatur inklusive Übernachtungserlebnis im Dorfkrug von Pritzwalk. Bei einem letzten Test vor dem Weg zur nächsten ländlichen Tankstelle gingen auch die Bremsen nicht mehr. Ein Glück, dass der gelbe Engel vor uns stand und das Problem daraufhin zumindest erkennen konnte: Ein eingebranntes Loch im „Luftdruckschlauch zur Bremskraftverstärkung“. Technisch bewanderte Engel stopften das Loch noch an der Tanke, so dass Umzug Nr. 1 – abgesehen von einer ausgiebigen Aus- und Umpackaktion am nächsten Tag im heimatlichen Wohnzimmer – um 2.30 nachts in Rotenburg sein langes Ende nahm.

Gespannt auf Brüssel

Nun sitze ich nach einem wesentlich unkomplizierteren Umzug Nr. 2 in meinem neuen, leicht heruntergekommenen Brüsseler Praktikantenzimmer im 1. Stock ohne Fahrstuhl, das ungefähr so groß ist wie Berliner Studentenappartements, allerdings mehr als doppelt so teuer. In Brüssel wird eben gerne etwas dicker aufgetragen – wer in EU-Nähe verkehrt scheint sich das leisten zu müssen – ob es einem schmeckt oder nicht. Mindestens vier Sprachen gleichzeitig, Cappuccino mit Schlagsahne statt mit Milch und mehr Hundescheiße auf den Trottoirs als in Berlin Neukölln gehören auch für mich nach zwei Tagen in meinem neuen Domizil zum Alltag. Ob hier auch genauso heiß gegessen wird wie gekocht, das wird sich in den nächsten (Arbeits-)wochen herausstellen.

Gespannt angespannt bin ich nach dem vergangenen Umzugsmarathon bereits jetzt – eben nur nicht urlaubsmäßig entspannt, wie es sich für echte Ferien gehört.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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