In kürzester Zeit haben es Amelie Becker und Friedemann Brenneis aus Leipzig mit ihrem Projekt klangumfang – Reisehörspiele für Kinder nach ganz oben geschafft. Wie aus ihrer Masterarbeit ein Geschäftsmodell werden konnte, hat Eliese Berresheim sie gefragt.
Auf Pflastersteinen rückwärts laufen ist ganz schön schwer. Sichtbar unbeholfen torkelt die Gruppe über den holprigen Untergrund. Sie alle sind Freunde und Mitbewohner von Amelie und Friedemann, die sich am Sonntagmorgen auf dem Fabrikgelände Werk 2 in Leipzig zusammengefunden haben, um als Statisten auszuhelfen. Hier soll der Imagefilm für das Kinderhörspielprojekt „klangumfang“ entstehen, den Amelie und Friedemann im Rahmen des deutschlandweiten Ideenwettbewerbs Generation-D in Berlin entwickeln. Die Zeit ist knapp und nach zwei wackeligen Probeläufen wanken die Komparsen auch schon rückwärts durchs Bild.
Die Geschichte von Amelie, Friedemann und ihrem Hörspielprojekt klangumfang erzählt sich wie ein Märchen für Selbstgründer. Innerhalb der letzten zwei Jahre hat sich ihre Idee für die Master- bschlussarbeit zu einem echten Projekt entwickelt. Aus den beiden Masterstudierenden für Hörfunkjournalismus sind zwei eigenständige junge Unternehmer geworden, die voller Kreativität und Ideen stecken.
Dabei war der Anfang nicht leicht. Trotz eines sehr praxisorientierten Studiums wurde Amelie und Friedemann schnell klar, dass ihre Jobaussichten eher mau sind. „Leute, die im Radio arbeiten, kommen meistens aus anderen Fächern wie Jura oder Literaturwissenschaften. Wenn du dann ankommst und sagst, du hast Radio studiert, gucken dich alle komisch an. Denn Radio studiert man nicht, Radio macht man“, sagt Friedemann. Deshalb haben Amelie und er sich vor zwei Jahren zusammengesetzt und überlegt, was sie mit ihren erlernten Fähigkeiten anderes machen können.
Die zündende Idee für klangumfang hatte Amelie während eines Familienurlaubs in Neapel. „Während meine Eltern sich eine Kirche nach der anderen anguckten, lief meine kleine Schwester die ganze Zeit nörgelnd neben uns her und wollte einfach nur ans Meer“, erzählt Amelie. Das hat sie zum Nachdenken gebracht. Denn fest steht: „Kinder zwischen acht und zwölf Jahren sind eigentlich sehr entdeckungsfreudig, aber es ist bei Städtereisen oft schwer, sie für die Kultur und Geschichte einer Stadt zu begeistern“, erklärt sie. Daraus entwickelten Amelie und Friedemann gemeinsam ein Konzept für Reisehörspiele für Kinder, mit dem sie die Lücke zwischen Reiseführer- und Hörspielmarkt schließen wollen. „In Anlehnung an Kinderhörspiele wie Die drei ??? wollen wir eine Serie von Detektivgeschichten entwerfen, die in verschiedenen deutschen Städten wie Berlin, Hamburg oder Köln stattfinden. Auf diese Weise wollen wir konkrete Orte wie das Rote Rathaus in Berlin oder die Thomaskirche in Leipzig für Kinder greifbar machen.“
Noch befindet sich klangumfang in der Entstehungsphase, erste Erfolgserlebnisse hatten Amelie und Friedemann jedoch bereits. Im Januar 2011 gewannen sie den Businessplan-Wettbewerb FutureSAX für die beste Geschäftsidee im Bereich Service. Damit stehen Amelie und Friedemann sachsenweit ganz oben auf dem Innovationsgipfel. Zwei Wochen später konnten sie die XI. Mitteldeutsche Elevator Pitch Night – zu deutsch „Fahrstuhlpräsentation“ – für sich entscheiden. In drei Minuten stellte Amelie einer international besetzten Jury auf Englisch das Konzept für klangumfang vor. „Das war für mich ein Durchbruchserlebnis“, erinnert sie sich. „Danach kam eine Emailflut von wildfremden Menschen, vor allem von Familien, die über uns gelesen hatten und die unsere Idee toll fanden. Da ist uns klar geworden, dass es Leute gibt, die unser Hörspiel wirklich wollen. Das hat uns den Antrieb gegeben.“
Einige Wochen später beim Sprecher- Casting für klangumfang an der Uni Leipzig: Der Warteraum ist inzwischen fast wieder leer. Am Morgen war er noch erfüllt von hellen Kinderstimmen und aufgeregten Eltern. „Fünfzehn Sprecher haben sich heute vorgestellt“, berichtet Amelies Schwester, die hier die Empfangsdame spielt. Familie und Freunde unterstützen die beiden Jungunternehmer häufig; jeder hilft, wo er kann. „Wir betreiben hier eine richtige Vetternwirtschaft“, sagt Friedemann und lacht. Gerade stellt sich der 16. Bewerber vor: Martin hat zwei Jahre Theater in Berlin gespielt und spricht hier für die Nebenrolle Max vor. In dem Testdialog stehen die Hauptfiguren Emma und Finn auf einer Brücke über dem Elsterkanal in Leipzig und wollen herausfinden, in welche Richtung die rote Mütze abgetrieben ist, die ihnen bei ihrer Detektivsuche weiterhelfen soll. Um die Wasserströmung zu bestimmen, ruft Finn seinen großen Cousin Max an. Der ist Ingenieur und hilft den beiden bei kniffligen Physikfragen immer gerne weiter.
Die Teilnahme am Ideenwettbewerb Generation D in Berlin, der im Rahmen des Führungstreffens Wirtschaft von der Süddeutschen Zeitung organisiert wird, könnte einen weiteren großen Schritt für klangumfang bedeuten. Damit hätten Amelie und Friedemann die Chance, ihr Projekt durch Strategie- und Marketingberatung bundesweit bekannt zu machen und wichtige Wirtschaftsvertreter, wie große Verlage, für ihr Hörspiel zu gewinnen.
Der Druck ist groß. Viel steht für die beiden auf dem Spiel. Das wissen auch ihre Freunde und Bekannte, die in Leipzig vor der Kamera stehen. Nach dem zwölften Versuch ist der Film schließlich im Kasten. Ein erleichtertes Raunen geht durch die Runde. Auch der Regisseur ist über das Ergebnis zufrieden. Nun fiebern sie alle dem Entschluss des Wettbewerbs entgegen.
Der Einsatz hat sich gelohnt: Beim Wettbewerb Generation D gewinnt klangumfang einen von drei Preisen in der Kategorie „Bildung und Kultur“. Die beiden haben die Jury nicht nur mit ihrer Hörspielidee, sondern auch mit ihrem Teamgeist überzeugt. Nach der Verleihung können sie ihr Glück noch gar nicht fassen: „Wir sind einfach nur sprachlos“, sagt Amelie aufgeregt.