„Mit der Wissenschaft ist das ‘ne Krux“

Am 26. April wird das Kooperationsprojekt „Master of Desaster – das Spiel mit der Krise“ am Deutschen Theater seinen Höhepunkt erreichen. Julian Daum und Karl Kelschebach haben sich schon einmal auf die finalen Krisenszenarien eingestimmt.

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Sven Chojnacki (mitte) und Hauke Friedrichs (rechts) beim Debattieren im Deutschen Theater. Foto: Julian Daum

Was hat es nur auf sich, mit den hufeisenförmig angeordneten Tischen auf der Bühne? Wird hier ein studentisches Plenum veranstaltet? Eine Kommissionssitzung? Aber müsste dazu wirklich ein Pianist in hautenger Strumpfhose im Hintergrund Konstantin Weckers „Waffenhändlertango“ klimpern?

Als „Expertengespräch“ war sie ausgeschrieben, die zweite Veranstaltung des Projektes „Master of Desaster – das Spiel mit der Krise“ am 12. März. Das Kooperationsprojekt von Studierenden des Otto-Suhr-Instituts, des Deutschen Theaters und der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch begnügt sich damit aber nicht. „Herzlich willkommen zur Waffenhändlertagung“, begrüßt eine Studentin auf Rollschuhen die Gäste, die womöglich eine akademische Debatte am Couchtisch erwartet hatten – und nun erfahren, dass regionale Regierungen und bewaffnete Gruppierungen die Auseinandersetzung um das Thema dieses Abends austragen werden. Nachdem das erste Krisenszenario des Projektes die Ineffizienz gezeigt hat, mit der lokale Institutionen auf Klimakrisen reagieren, wird es heute um regionale Konflikte und ihre globalen Auswirkungen gehen: Der Kampf um Ressourcen, Waffenhandel und Migrationsbewegungen stehen auf der Tagesordnung.

Im Spannungsfeld zwischen Kunst und Politik gibt die fiktive Präsidentin des „Landes Y“ ein Interview über die „Herausforderungen“ ihres Landes. Dass diese gewaltig sind, lassen satirisch verdichtete Phrasen über einen „nationalen Aussöhnungsprozess“ ahnen. Hilft vielleicht die Wissenschaft weiter? Diese Illusion nimmt Sven Chojnacki, einer der Initiatoren des Kooperationsprojektes, dem Publikum in einem Impulsreferat über die Möglichkeiten der Wissenschaft auf eine Krise, wie sie hier inszeniert wird, einzuwirken. Unübersehbar seien die durch koloniale Fremdbestimmung freigesetzten Dynamiken. Auch das Problem der Macht, die Klimakonflikte durchdringt, zersplittere in unzählige Fragen, sobald man es anpacke: Von welcher Macht ist überhaupt die Rede? Wie wird sie wahrgenommen? Wie wird sie legitimiert? Wie wird sie institutionalisiert? Chojnackis Fazit: „Mit der Wissenschaft ist das ‘ne Krux. Die Fragen sind riesig, die Antworten bescheiden.“

„Alle schießen mit deutschen Waffen aufeinander!“

Und dann mangelt es auch noch an Disziplin! Selbstironisch setzen die anwesenden Vertreter der „bewaffneten Gruppierungen“ die Abwesenheit ihrer Kommilitonen bzw. Kombattanten in Szene und beraten, wie neue Mitstreitende zu rekrutieren seien – aus der Öffentlichkeit, also etwa dem Publikum. Wie derlei gelingt wüssten vor allem Warlords, erklärt anschließend Hauke Friedrichs, Rüstungsexperte und Journalist für Die Zeit und den Tagesspiegel. In seinem Kurzvortrag über die gegenwärtige Situation in Afghanistan kritisiert er außerdem den Abzug deutscher Truppen, die keinen Frieden, sondern unbrauchbare Militärtechnik hinterließen.

Die darauf folgende Diskussion zwischen Friedrichs und Chojnacki wendet sich noch einer anderen Frage zu: Den Migrationsbewegungen, die regionale Krisen auslösen. Während der Diskurs um „Klimakriege“, wie Chojnacki bemängelt, mit „viel Populärwissenschaft und aus dem Ärmel Geschütteltem“ überfrachtet würde, lasse man das Leid der Geflüchteten außer Acht, solange sie nicht nach Europa kämen. Dabei sei es ihrer ökonomischen Lage geschuldet, dass sie sich oft Rebellengruppen anschlössen. Wie kommen diese eigentlich an ihre Waffen? Zum Beispiel durch deutsche Rüstungsunternehmen. „Alle schießen mit deutschen Waffen aufeinander“, bringt es Friedrichs auf den Punkt. Die üblichen Totschlagargumente für Waffenexporte lässt er nicht gelten: Dass andere Unternehmen die Gewehre liefern würden, wenn nicht die deutschen es täten, sei falsch, weil die Waffenmodelle patentiert seien – so etwa die nur hierzulande produzierte G3, mit der man Kindersoldaten ausstatte.

Wenn auch manches apokalyptisch anmutet, an dem Szenario, das mit großzügigem Einsatz diverser Medien wie Filmen, Powerpoint-Präsentationen und Musik, kühnen Verfremdungen und reichlich Expertise dargeboten wird – mindestens bis zum 26. April sollte die Welt noch mit ihrem Untergang warten. Dann wird das Kooperationsprojekt in dem „Spiel mit der Krise“ gipfeln. Wie dieses aussehen wird, weiß noch niemand – doch vielleicht ist nach dem „Krisengespräch“, das am 25. April im Deutschen Theater aufgeführt wird, eine Prognose möglich.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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