Kinder, Kita und Klausuren

Studieren mit Kind? Viele stellen sich das unfassbar schwer vor. Doch rund sieben Prozent aller Studierenden in Deutschland meistern das täglich. Lior Shechori traf eine von ihnen.

Illustration: Gwendolyn Schneider-Rothhaar

Illustration: Gwendolyn Schneider-Rothhaar

Montagmorgens, 8.30 Uhr. Steffi verlässt das Haus. Während die meisten Studierenden noch schlafen, ist sie schon seit mehr als einer Stunde wach. Die 27-jährige Kulturanthropologin ist Vollzeit-Studentin und Mutter zweier Töchter. Vor der Uni noch zum Kindergarten, das gehört für sie zum Alltag. Jeden Morgen bringen
Steffi, die eigentlich anders heißt, und ihr Freund, ebenfalls FU-Student, die Kinder zum Kindergarten in der Nähe der Uni.

Selbstverständlich ist das nicht: Einen Platz in der vom Studentenwerk betriebenen Kita haben sie nicht bekommen. „Ich sollte den Platz ein Jahr im Voraus beantragen. Das fand ich hart“, sagt Steffi. Das Problem mit der Uni-Kita ist symptomatisch für ein viel größeres. „Die Betreuungsplätze in Berlin reichen nicht aus. Einen zu bekommen ist oftmals mit viel Glück verbunden“, erklärt Sabrina Kusch, zuständig für Studierende mit Kind im Familienbüro der FU.

9 Uhr. Die Kinder sind untergebracht, jetzt beginnt ihr Tag. Steffi geht zu ihren Seminaren und zwischendurch in die Bibliothek, um zu lernen. Zeit für ihre Freunde hat sie dazwischen nicht. „Ich muss diszipliniert sein“, sagt sie. „Früher konnte ich Aufgaben immer aufschieben. Das geht jetzt nicht mehr.“

Mit 22 erfuhr Steffi von ihrer Schwangerschaft und bekam Angst. Sie befürchtete, ihr Studium hinschmeißen zu müssen. Diese Sorge hat sich mittlerweile gelegt. Denn
die FU erleichtert ihr die Zeitorganisation. So hat sie etwa bei der Platzverteilung von teilnahmebeschränkten Seminaren Vorrang. Steffi wäre es jedoch noch lieber,
wenn bestimmte Veranstaltungen keine Anwesenheitspflicht hätten – „einfach, weil die Zeit so knapp ist.“

16 Uhr. Steffi und ihr Freund holen ihre Töchter von der Kita ab. „Weil wir beide studieren, können wir viel gemeinsam machen“, sagt sie. „Wir frühstücken zusammen,
bringen die Kinder in die Tagesstätte und holen sie dann auch zu zweit wieder ab.“ Danach ist mit Lernen normalerweise Schluss. Den Nachmittag verbringen sie mit Spielen, Malen oder Puzzeln. „Ich finde es schön, dass vormittags jeder etwas für sich macht und danach freuen wir uns aufs Wiedersehen“, sagt Steffi.

Arbeiten müssen sie und ihr Partner zurzeit nicht. Finanziell unterstützt werden sie zum Großteil von ihren Eltern. Zudem bekommen Studierende mit Kind bis zu 14 Monate Elterngeld. Danach können sie Bafög beantragen.

22 Uhr. Ihre zwei Mädchen ins Bett zu bringen, hat wieder lange gedauert. Die Kleine wollte noch etwas trinken, die Ältere musste noch einmal aufs Klo. Viel Zeit für Freunde, Party oder fürs Kino bleibt nicht, wenn man Studium und Familie vereinbaren will. „Mir fehlt es manchmal, meine Freunde öfter zu sehen. Aber ich finde schon die Zeit, sie auf einen Kaffee zu treffen“, sagt Steffi. „Seit ich eine Familie habe, habe ich andere Prioritäten.“ Trotz vieler Hürden genießt sie das studentische
Familienleben.

Steffi will auf jeden Fall noch einen Master machen, danach kommt die Jobsuche. Alles genauso wie bei Studierenden ohne Kinder also. Anderen, die mit einer ähnlichen Situation konfrontiert werden, rät Steffi deshalb, sich keine Sorgen zu machen. „Es gibt keine perfekte Zeit, Kinder zu bekommen.“ Erst einmal solle man sich freuen, denn: „Kinder sind toll! Und das mit dem Studium klappt dann auch irgendwie.“

Steffi beweist jeden Tag aufs Neue, dass der Spagat zwischen Familie und Studium möglich ist. Aber im Hörsaal möchte sie auch einfach mal Studentin sein. Deswegen wollte sie für diesen Artikel anonym bleiben.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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