Auf der Suche nach Erfüllung und Leere

Die Künstlerin Finja Sander nutzt Performancekunst, um ein Echo zu erzeugen und damit Innen- und Außenräume zu erforschen. Carla Spangenberg hat sich von dem Sog ihrer Ausstellung ergreifen lassen.

Die Besucher*innen werden Schatten im Mutterleib. Foto: Jana Schneider

Die Besucher*innen werden Schatten im Mutterleib. Foto: Jana Schneider

Vier Quadratmeter – zwei mal zwei Meter Spitzentuch führt die Künstlerin Finja Sander sich in der Videoinstallation (Aus)Füllen vaginal ein. Auf den ersten Blick ein verstörendes Unterfangen. Und doch erklärt ein Besucher fasziniert: „Ich habe jetzt die Erfahrung von einem verborgenen Raum gemacht, von dem ich nicht wusste, wie groß er ist.”

Die Videoinstallation ist Teil der Ausstellung Resonanzräume, die am vergangenen Wochenende in dem freien Projektraum povvera stattfand. Kuratiert wurde sie von der FU-Studentin Josephine Taraschkewitz. In Performance und Fotografie geht die Künstlerin in einen prozesshaften Austausch mit Räumen und versucht, in ihnen Widerhall zu erzeugen.

Erfühlen und Erfüllen

Wie erfüllt der Raum einen Körper? Wie der Körper einen Raum? Diese Fragen wirft beispielsweise die Installation Kosmos auf: Das Ultraschallbild einer leeren Gebärmutter wird auf die gesamte rechte Wand des Ausstellungsraumes projiziert. Die Leere des Uterus wirkt wie ein ungenutzter Hohlraum und deutet doch auf die Möglichkeit einer Erfüllung hin.

Die gesamte Ausstellung macht physische und kreative Räume für die Besucher*innen körperlich und emotional erfahrbar. „Die Werke und der Raum lösen bei mir einen ständigen Taumel zwischen Enge und Weite aus“, berichtet eine Besucherin.

Nacktheit zieht sich als Motiv durch die Werke von Finja Sander. Im Interview beschreibt die Künstlerin diese als die neutralste Form des Körpers, in der er als Objekt und Projektionsfläche diene. Außerdem sei es in der Raumerfahrung für sie wichtig, die Widerstände und Oberflächen von Materialien durch Berührung fühlen zu können.

 Live-Performance der Künstlerin. Foto: Jana Schneider

Live-Performance der Künstlerin. Foto: Jana Schneider

Soziale Resonanz

Resonanz hat auch eine soziale Dimension, die sich in dem Zusammenspiel von Raum und Besucher*innen zeigt: Im hinteren Teil des Raumes steht eine starre, schwarze Box. Darin ein weißer, zitternder Körper. Aufgrund der hohen Wände muss man der Box gefährlich nahe kommen, um den Körper ganz zu betrachten. Niemand traut sich, hier lange zu verweilen. Alles drängt sich schutzsuchend Richtung Bar und Mutterleib. Ein Pärchen gerät dabei versehentlich vor den Projektor. Ihr Schatten fällt auf die leere Gebärmutter, als unterhielten sie sich darin. Bilder eines sozialen Experiments.

Die Kuratorin als Resonanzboden

Die Vielschichtigkeit Sanders Werkes lässt der Kuratorin Josephine Taraschkewitz viel Spielraum für die Inszenierung verschiedener Lesarten. Sie studiert im Master Kunstgeschichte an der FU und arbeitet seit ca. drei Jahren mit Sander zusammen. Die Künstlerin selbst erkennt sich in den Interpretationen der Kuratorin wieder. So bilden sie einander Resonanzböden. Eine der größten Herausforderungen stellte für Taraschkewitz die Öffentlichkeitsarbeit dar, bei der es ja ebenfalls um Resonanz geht. Wie kommen Plakate im öffentlichen Raum zur Geltung? Wie erweitert man seinen Wirkungskreis im virtuellen Raum der sozialen Medien? Am Ende des Abends steht fest: Ihr Projekt ist gelungen. Sie hat einen dynamischen Resonanzraum für das Werk der Künstlerin geschaffen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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