Frei nach Weber werbefrei

An deutschen Universitäten, auch an der FU, werben Unternehmen fleißig. Sie kennen keine Student*innen, sie nennen uns Zielgruppe. Und sie treffen, ohne dass wir uns getroffen fühlen. Ein Beitrag von Lukas Miebach.

Werbung an der Uni bleibt ein kontroverses Thema. Foto: Pixabay, CC0

„Hey, bist du Student?”

„Ja, wieso?”

„Kennst du schon Amazon Prime?”

„Ja klar…”

Dumme Frage, denkst du. Doch dumme Fragen gibt es nicht.

„Super, er hat schon zweimal ja gesagt”, denkt dein Gegenüber, denn das ist das Ziel dieser Fragen. Du sollst nicht zu viel nachdenken. Wer ja sagt, der denkt auch ja.

Wer nicht wirbt, stirbt

An Hochschulen in Deutschland darf geworben werden. Es darf, weil es seit 1996 nicht mehr verboten ist. Das Hochschulrahmengesetz wurde damals entsprechend geändert. Man könnte auch sagen, es wurde angepasst.

Doch es bleibt paradox. Die Deutschen vertrauen kaum einer Institution mehr als der Universität. Das Misstrauen gegenüber Werbeagenturen hingegen könnte größer kaum sein. Das geht aus einer Studie der Zeitschrift „Forschung und Lehre“ aus dem Jahr 2017 hervor.
Der Soziologe Max Weber sprach sich einst in seinem berühmten Vortrag, „Wissenschaft als Beruf“ für Werbefreiheit an Universitäten aus. Er meinte damals das Werben für die eigene Meinung.

Wenn Studierende in die Vorlesung müssten, um Wissen zu erlangen, so dürfe der Lehrkörper seine Stellung nicht missbrauchen, um den Student*Innen seine Meinung aufzudrängen. Dass die Universitäten diesen Mindestanspruch einmal aktiv und bewusst unterbieten würden, dafür hätte Weber wohl die Fantasie gefehlt. Denn es geht den werbenden Unternehmen nicht um Informationsvermittlung, es geht ihnen auch nicht um Meinungen.

Werber bewahren uns vor der Wahrheit

Selbst wenn ein*e Dozent*In heute seine/ihre Meinung kundtut, kann er/sie mittlerweile, Gott sei Dank, mit Widerspruch rechnen. Doch wie widerspricht man, wenn man nicht bemerkt, dass man angesprochen wurde? Denn Werbung funktioniert anders. Sie soll nicht bewusst von statten gehen, sie soll nicht wahrnehmbar geschehen, sondern unterbewusst, heimtückisch. Sie manipuliert mit Vorsatz.
Ich frage die Pressestelle der FU nach Kriterien, nach denen Werbepartner*Innen ausgewählt werden. In der Antwort heißt es, dass Alkohol,- und Tabakwerbung, sowie diskriminierende Inhalte verboten seien. Weiter wörtlich: „Die zugelassenen Werbeflächen sind in ihrer Anzahl begrenzt und in der Regel so installiert, dass der Lehr- und Lernbetrieb nicht gestört wird.“ 

Ich schaue mir die Seite von Campus Direkt an, dem offiziellen Vermarkter der Werbeflächen auf dem Campusgelände der FU. Dort lese ich etwas anderes: „Fast jeder Campus hierzulande verfügt über günstig gelegene Plakatwände, die exklusiv für kommerzielle Hochschulwerbung bereitgestellt werden und jedem*r Studierenden zwischen Vorlesung und Seminar ins Auge fallen.“ Man erreiche die Zielgruppe Studierende direkt am „point of learning”.

Berlin Werbefrei

Immerhin: Die Initiative „Berlin Werbefrei“ bemüht sich über ein Volksbegehren, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, dass die Werbeflut im öffentlichen Raum eindämmen soll. Dabei spricht man sich gegen Werbung in allen öffentlichen Einrichtungen aus. Zurzeit liegt der Gesetzesentwurf zur Rechtsprüfung im Berliner Senat.  Die FU sagt, sie sei auf den Partner „Campus Direkt“ angewiesen. Die Ausmaße der Wildplakatierung habe man vorher kaum in den Griff bekommen können. Amazon-Prime Kund*innen bestellen fast doppelt so viel, verglichen mit nicht-Prime-Kunden. Amazon-Prime-Kund*innen zahlen also doppelt so viel Geld an Amazon.

„Hast du Lust auf einen Probemonat bei uns? Für Studenten kostenlos.”

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