Seit das studierendenWERK Berlin seine Workshops digitalisiert hat, kann man endlich noch mehr Zeit am Laptop verbringen. Am liebsten in einem Zeichenkurs. Wortwörtlich kreativ in das Kreativsemester zu starten geht wohl nirgends einfacher. Kann doch nur gelingen, oder? Von Natalie Maxine Thimm.
„Freies Zeichnen“ – Das klingt so, als könnte man nicht viel falsch machen. Eine gute Gelegenheit, die mehr oder weniger freiwillig durch die Pandemie gewonnene Zeit in einen Kreativkurs zu investieren. Dachte sich scheinbar auch das studierendenWERK. Denn neben Video-Slams und Webex-Lesungen werden dieses Semester gleich zwei Zeichenkurse angeboten. Einer konzentriert sich auf Techniken des Freihandzeichnens. Es gehe darum, eine kreative Pause einzulegen, erklärt Kursleiter Yves Haltner den gesichtslosen Teilnehmer*innen zu Beginn. Willkommen seien alle, Anfänger*innen bis Profis. Der Zeichenworkshop des studierendenWERKs findet jeden Donnerstag statt. Insbesondere in der Corona-Zeit tut ein bisschen Ablenkung ganz gut und so kann man immerhin noch einen zusätzlichen Kurs zwischen Portugiesisch und Schauspieltheorien einschieben. Alles, was man dazu braucht: Papier und ein paar mäßig angespitzte Bleistifte.
Das Seminar startet mit einer Aufwärmübung: das eigene Ohr ertasten und zeichnen, ohne sich im Spiegel anzuschauen. „Ihr wisst ja natürlich alle wie ein Ohr aussieht“, heißt es. Deshalb sei es schwierig den anatomischen Kenntnisstand auszublenden und sich auf das innere Auge zu konzentrieren. Wo guckt man hin? Schließt man dabei die Augen oder schaut in die Ferne? Kopfhörer stören auch ein wenig beim Erfühlen, also lieber herausnehmen. Die beste Vorgehensweise kann dabei jede*r nur für sich selbst finden. Aber spannender ist es definitiv als es durch Betrachten zu zeichnen. Vor allem, wenn man seit der Quarantäne lieber nicht mehr in den Spiegel guckt.
Die gewohnte Zeichenroutine durchbrechen
Die übrigen zwei Stunden des Workshops werden für die Kernaufgabe verwendet. Zeichnet einen Berg aus Gegenständen in eurer Umgebung, lautet sie. Nach kurzem Herumirren im Zimmer bilden so schließlich ein staubiger Zauberwürfel und ein unbenutztes Heft das Fundament des Turmes. Hilfesuchend schlittert der Blumentopf über den Karton und ein paar Spielkarten versuchen die Balance zu halten. Der schiefe Turm von Pisa wird hier ganz neu definiert. Virtuell gemeinsam und räumlich voneinander getrennt sitzen die Teilnehmer*innen an den Zeichnungen. Zwischenzeitlich werden einige Skizzen geteilt, wobei Kursleiter Yves achtsam Tipps und Impulse gibt – Anreize, was man alternativ ausprobieren könnte, um die gewohnte Zeichenroutine zu unterbrechen. Später soll sogar die linke Hand einmal ran – selbst für einen Laien kein Problem. Vorausgesetzt, man mag abstrakte Kunst. Und auch das ist gut. Denn es gibt keinen Druck, am Ende der Sitzung ein fertiges Bild zu präsentieren oder möglichst fotorealistische Illustrationen hervorzubringen.
Diese mehr oder weniger vollendeten Werke werden anschließend in die Online-Galerie aufgenommen. Dort kann man sich auf einem virtuellen Rundgang durch die Zeichnungen der anderen Teilnehmer*innen klicken. Erstaunlich, wie schön gezeichnet wird. Jede*r hat einen ganz eigenen Stil.
Kaum eine*r wird nach der dritten Sitzung das Niveau eines Dalí oder einer Kahlo erreicht haben, aber es motiviert ungemein, nicht alleine vor einem weißen Blatt Papier zu sitzen. Und eine kreative, bewusste Pause bietet der Zeichenkurs ohnehin. Toll, einmal zu sehen, wie gut das „Kreativsemester” in außer-universitären Seminaren doch funktionieren kann. Das Bedürfnis nach Ausreden zum Abschalten wie mangelhaftes WLAN oder nebenbei lieber Netflix zu gucken, kommt garantiert nicht auf.