Erfolgsmodell Kreativsemester?!

Das Kreativsemester ist fast vorbei. Zur Bilanzierung sind Univertreter*innen aus ganz Deutschland digital zusammengekommen. Greta Linde hat sich das Panel angesehen.

Erfolgsmodell Kreativsemester?
Ein Rückblick auf das digitale Kreativsemester zeigt gemischte Gefühle und kaum konstruktive Ergebnisse. Foto: unsplash.com

Es ist 18 Uhr, sechs Kacheln werden live auf YouTube übertragen. Das Hochschulforum Digitalisierung trifft sich, um Bilanz zum Kreativsemester zu ziehen. Während Moderatorin Jeanne Rubner vom Bayerischen Rundfunk die Gäste vorstellt, können die Zuschauer*innen das Digitalsemester bewerten. Vier von fünf Sternen gibt der Großteil, das sei doch super. 

René Rahrt, Göttinger Student und Mitglied der Initiative Digital Changemaker, berichtet von seinem besten und schlechtesten Erlebnis des digitalen Sommersemesters: Eine Professorin habe zu Beginn einer Vorlesung gesungen, das war total toll. Ab und zu sei aber seine Katze über die Tastatur spaziert, ganz schön nervig! Dann kommt Rahrt auf fehlende soziale Interaktion und Unterstützung seitens der Uni zu sprechen. Diese hätten zwar schnell reagiert, jedoch ohne Rücksprache mit ihren Studierenden. Die Infrastruktur sei ein weiterer Problempunkt: Knapp 90% der Studis hätten zwar unbegrenztes Internet zur Verfügung, über Mikro und Kamera verfügen jedoch nur gut 80 Prozent, so eine Studie der TU Dresden. Dazu sagen die anderen Teilnehmer nichts.

Martin Fischer, Medizinprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), erzählt, wie die Technik seinen Studierenden geholfen hat, die zwecks Corona-Bekämpfung in medizinischen Einrichtungen gearbeitet haben und aufholen mussten. Monika Gross, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz und Dozentin für Biotechnologie, berichtet von kleineren Laborgruppen als üblich. Wenn das doch nur ohne Corona ginge. Betroffenes Nicken, alle stimmen zu.

International: 3-

Jan-Martin Wiarda, der als „unabhängiger Beobachter“ vorgestellt wird und tagsüber als Bildungsjournalist arbeitet, gibt dem Digitalsemester die Note Zwei Plus. Es sei viel in Rekordzeit umgestellt worden, das positive Stimmungsbild angebracht. International hingegen bewertet er Deutschland mit Drei Minus. Andere Unis seien längst weiter, die Datenschutzdiskussion hierzulande noch am Anfang und eine soziale Etiquette nicht eingeführt.

Viel mehr wird nicht gesagt zum internationalen Vergleich, wobei gerade der doch spannend wäre. Seit Jahren schneiden deutsche Unis in Rankings zwar vergleichsweise zufriedenstellend ab, doch international spielen sie im Hinblick auf digitale Lehre kaum eine Rolle. Laut Handelsblatt bieten Unis, die nach eigener Aussage sehr digitalisiert sind, hauptsächlich nur Mobiles Lernen, aufgezeichnete Vorlesungen und einen Social Media Kanal als digitale Angebote an. Viele Studierende, wenig Lehrpersonal und ein geringes Budget führen außerdem dazu, dass IT-Topkräfte selten an Unis arbeiten. 

Ausblick aufs Wintersemester

Schließlich kommt man auf die bevorstehende Prüfungsphase zu sprechen. Die FU-Vertreterin Karoline von Kökritz sei froh, dass die FU über Prüfungszentren wie das E-Examination-Center verfügt, das bereits bis Ende Oktober ausgebucht sei. Die FU arbeite aber auch an einer Möglichkeit, Prüfungen digital zu schreiben, sollte es zu einer zweiten Infektionswelle kommen. E-Examination fürs Wohnzimmer. Die Teilnehmenden sehen das teils kritisch. „Nein danke!“, so Rahrt. Studierende lehnten solch einen Eingriff in die Privatsphäre ab. Wiarda meint, Hochschulen seien der Chancengleichheit stärker als dem Datenschutz verpflichtet. Würde man das ernstnehmen, könne er sich gut vorstellen, dass solche Technologien zum Einsatz kommen. Die unschöne Debatte, wie das funktionieren kann, müsse jetzt geführt werden.

Im Hinblick auf das Wintersemester sind sich alle einig, dass die entscheidende Frage sei, wie man Präsenz und Digitales verbindet. Die Angst, es könne in Zukunft aus Spargründen weniger Veranstaltungen vor Ort geben, sei unbegründet. Für das bevorstehende Semester wünschen die Studierenden sich, so Rahrt, klare Ansagen und Szenarien mit und ohne Infektionswelle. Ansonsten einigen sich alle: Digitale Lehrangebote böten viele Chancen und man könne noch viel mehr aus digitaler Lehre rausholen. Dazu verweist die Moderatorin auf die Jahrestagung der Gesellschaft für Medien und Wissenschaft (GMW), bei der Teilhabe und Barrieren der digitalen Bildung diskutiert werden. Doch was genau hier jemand aus digitaler Lehre rausholen möchte, sagen die Teilnehmenden nicht. Für Studierende bleibt nur zu hoffen, dass die GMW-Jahrestagung Ergebnisse liefert – in dieser unkrtischischen Bilanz blieben diese nämlich aus.

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