Das ist Literatur, Baby?

Publizieren um des Publizierens Willen: Alexandra Heidsiek fragt sich, ob es angesichts der ominösen Literaturvorschläge im FURIOS-Postfach überhaupt noch erstrebenswert ist ein Buch zu veröffentlichen.

Nicht jedes Buch muss man in Händen halten. Foto: Unsplash

Der deutsche Buchhandel ist übersättigt. Doch genau wie das Kreieren seltsamer Eissorten scheint sich das Publizieren von immer mehr Büchern zu einer neuen Wettkampfsportart etabliert zu haben.

In Anbetracht der ungeahnten Schätze, die die Leipziger Buchmesse zweifelsohne ans Tageslicht gebracht hätte, ist es schade, dass sie auch dieses Jahr wieder ausfallen muss. Normalerweise hätten vom 27. bis 30. Mai über 2000 Aussteller*innen ihre literarischen Perlen präsentiert. Doch glücklicherweise scheint auch das E-Mail-Postfach von FURIOS eine beliebte Adresse für all jene zu sein, die ihre Meisterwerke der Welt verkünden möchten. Denn gerne schicken Literaturhäuser ihre Kuriositäten eben dorthin – mit der Bitte, sie zu rezensieren.

Ohne diese Empfehlungen müssten wir zum Beispiel ohne eine Einladung zum „literarischen Birdwatching“ (Vögel: Vom Singen, Balzen und Fliegen) auskommen. Auch ein Roman über die Selbstfindungsreise zweier Frauen von einem männlichen Autor, der sich praktischerweise das Pseudonym Boner zugelegt hat (Café Hanoi), bliebe uns sonst verwehrt. 

Alle schreiben, keiner liest

Einmal ein Buch zu veröffentlichen, ist für viele ein Traum. Doch wer die Chance dazu erhalten hat, hätte es manchmal  besser bei dieser belassen sollen. Allerdings würden der deutschen Literaturlandschaft dann auch einige Wunderwerke fehlen.

Denn natürlich ist es überlebenswichtig, dass jede x-beliebige deutsche Kleinstadt Schauplatz eines Krimis ist. Auch ein Leben ohne Sebastian Fitzeks 4756ten Thriller wäre trostlos, genauso wie eine öffentliche Debatte, die auf Richard David Prechts ungefragte Meinung verzichten muss. Selbstverständlich sollte jede Z-Prominenz, die etwas auf sich hält, mindestens ein Buch veröffentlichen. Und spätestens als e-Book lässt sich alles bequem vom heimischen Computer aus self-publishen und im einschlägigen Buchhandel verbreiten.

Bei einem Publikumsverlag einen Vertrag zu ergattern, ist so kompliziert, wie auf Anhieb einen USB-Stick richtig herum in den Slot zu schieben. Wer es dennoch versucht, sollte sich auf  Funkstille gefasst machen. Denn ein Großteil der eingesandten Manuskripte wird laut Andreas Eschbach nicht einmal gelesen. Der Bestseller-Autor rät deshalb dazu, sich gar nicht erst an die Riesen zu wenden. Den besseren Weg stellten Kleinverlage oder Agenturen dar.

Doch auch das hat seine Tücken. Wer sich nicht sofort gut verkauft, fliegt raus. Und wer als Autor*in schon einige Fehlversuche vorweist, hat es umso schwerer, bei einem neuen Verlag Fuß zu fassen. Wer also glaubt, im Literaturbetrieb gehe es gesitteter zu, weil dort mit kulturellem Wertgut gehandelt wird, täuscht sich gewaltig. Denn genau wie jeder andere Großkonzern agieren auch Verlagshäuser profitorientiert.

Doch das ist noch lange kein Grund, den Kopf hängen zu lassen: Sogar Axolotl Roadkill wurde als Debütroman bei Ullstein veröffentlicht. Und dabei handelt es sich immerhin um ein Buch, das mehr aus copy&paste besteht als aus – Achtung, provokant – eigenen Ideen. Auch Julia Engelmanns Schmerzen erregende Aussagelosigkeit hat im Goldmann Verlag ein Zuhause gefunden. Zugegeben, das ist erst passiert, nachdem sie jahrelang Poetry Slam-Zuschauer*innen verstört hat. Aber es beweist: wer nur genug nervige Präsenz zeigt, hat Erfolg.

Natürlich drängt sich die Frage auf: Wenn das die Maßstäbe sind, will man sich als angehende*r Autor*in überhaupt damit identifizieren? Will man in einer Reihe stehen mit Martin Sonneborns Europaparlament-Eskapaden und („Es ist doch alles ganz einfach!”) Lebensratgebern, bei denen man sich nach der Lektüre schlechter fühlt als vorher?

Vielleicht ist es doch ganz gut, dass unser Gedankengut angesichts der ausbeuterischen Verlagslandschaft schwerlich seinen Weg in den Buchladen finden wird.

Autor*in

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