Wovon die Stasi träumen würde

Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Das ganze Internet ist von Großkonzernen besetzt. Das ganze Internet? Nein! Wie Widerstand geleistet wird, erklärt Stefan Mey gegenüber Matthis Borda im Interview.

Der Journalist und Referent Stefan Mey vor seinem Vortrag “Das Smartphone als Datenschleuder” im Auditorium des HNF. Foto: Sergei Magel / Heinz Nixdorf-MuseumsForum.

Das Internet ist größtenteils kommerzialisiert. Gleichzeitig ist dort fast alles umsonst. Wie passt das zusammen?

Man muss dem Internet eine Sache zugutehalten – es hat ein Problem des Kapitalismus’ gelöst. Leute, die kein Geld haben, können sich kostenlos Weltkarten angucken, Medien konsumieren oder Musik hören. Das ist toll, bedeutet aber, dass mit etwas anderem bezahlt werden muss: mit Aufmerksamkeit. Je größer diese bei Nutzer*innen ist, desto mehr Daten können Plattformen sammeln, um zielgerichtet Werbung an einzelne Personen auszuspielen. Aus dem Ausschluss-Kapitalismus ist ein Daten-Kapitalismus geworden. Allein Meta hat derart weitreichende Möglichkeiten, da könnte die Stasi nur von träumen.

Und wenn ich sagen würde, ›mir ist egal, ob Google meine Daten hat‹?

Wichtig ist hier eine Differenzierung zwischen kollektiven Schäden und privaten Kosten. Die Wahrscheinlichkeit ist gering, dass bei Google sich jemand anschaut, welche Webseiten eine Privatperson nutzt. Aber die Daten werden kollektiv verarbeitet, was dazu führen kann, dass Bevölkerungsgruppen ausgeforscht werden können. Der einzig funktionierende Schutz davor ist, dafür zu sorgen, dass gar nicht erst so viel Macht, also Datenmengen entstehen. Denn Macht über Daten ist Macht über Menschen.

Wie unterscheidet sich die nicht-kommerzielle Seite des Internets von der kommerziellen?

Die nicht-kommerziellen Projekte funktionieren anders. Ihre Grundlage sind Communities, also Gruppen von Ehrenamtlichen. Sie gehen sparsamer mit Daten um, weil kein Gewinn erwirtschaftet wird. Und sie arbeiten oft viel transparenter. Freie Lizenzen stellen sicher, dass Projekte mit diesen Lizenzen von allen frei genutzt und verändert werden können und alles, was auf Basis von solchen Softwares oder Inhalten entsteht, auch frei sein muss. Bei Content-Projekten nennt sich das Creative Commons und bei Software-Projekten Open Source.

Illustration: Lena Stein.

Steckt dahinter eine Philosophie?

Es gibt gerade bei Software-Projekten viele, die der Meinung sind, es sollte alles unter freien Lizenzen stehen. Bei inhaltsbezogenen Projekten gibt es oft eine Idee von Solidarität, gemeinsamen Inhalten und die Vision einer Gegenkultur.

Auf X wird seit der Übernahme durch Elon Musk nicht mehr moderiert. Seitdem können sich Hassnachrichten ungestört auf der Plattform verbreiten. Hat Mastodon als X-Alternative das Potenzial, so etwas zu verhindern?

Das Beispiel zeigt, wie gefährlich es sein kann, wenn wichtige Plattformen oder Infrastrukturen der Meinungsbildung in privater Hand sind. Mastodon ist da anders: Wenn man X nutzt, spielt sich alles auf einer Seite ab. Mastodon hingegen besteht aus vielen einzelnen Teilen, sogenannten Instanzen. Das ist so ein bisschen wie bei E-Mails: Es gibt unterschiedliche Anbieter, aber alle können mit allen kommunizieren. Diese Instanzen können innerhalb bestimmter Grenzen ihre eigenen Regeln festlegen. Sie bekommen die Daten und es entsteht ein gemeinsamer Kommunikationsraum. Das bedeutet aber, dass sie auch eher missbraucht werden können. Truth.Social von Donald Trump basiert beispielsweise auch auf Mastodon.

Mastodon kommt aber durchaus seiner Verantwortung nach, soweit es eben geht. Es gibt eine Art Verfassung, in der auch eine aktive Moderation der Kommunikation zur Verhinderung von Rassismus, Transphobie etc. festgeschrieben ist. Die geben sich also wenigstens Mühe.

Welche Alternativen kannst du empfehlen, wenn man sich freier im Internet bewegen möchte, ohne viele Daten preiszugeben?Am einfachsten ist der Umstieg von Chrome auf Firefox. Hinter Firefox steht eine nicht-kommerzielle Stiftung, und der Browser ist Open Source. Man muss diesen aber paradoxerweise erst mal von Google befreien. Ich würde empfehlen, den Browser so einzustellen, dass die Cookies immer gelöscht werden, wenn man diesen beendet. Denn die Nachverfolgung über Webseiten läuft vor allem über Cookies. Und auf jeden Fall sollte man die automatischen Suchvorschläge deaktivieren. Statt Whatsapp könnte man versuchen, auf Signal umzusteigen und LibreOffice ist eine nette Alternative zu Microsoft Office.

Stefan Mey ist investigativer IT-Journalist und studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaften an der FU. In seinem Buch Der Kampf um das Internet porträtiert er die nicht-kommerzielle Digitale Gegenwelt.

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