BLATTSCHUSS ZU FURIOS 02

In jeder Redaktion gibt es die Blattkritik: Da wird kritisiert und herumgekrittelt. Für die Redaktion ist das mal lehrreich, mal bitter. Aber vor allem: sehr unterhaltsam! Wir haben den Blogger und Journalisten Lukas Bischofberger gebeten, FURIOS richtig auseinander zu nehmen.

blattkritik

Was an Furios als Erstes ins Auge sticht, ist das auffällige, gezeichnete Cover. Darauf setzt das Magazin den Facebook-Emporkömmling und Milliardär Mark Zuckerberg mit Superman-Cape in Szene. Daneben der große Schriftzug: “Unternehmer. Die Bessermacher” Eine provokante These, haben sich doch in letzter Zeit nicht nur Manager von Großunternehmen, sondern auch mittelständische Unternehmer kräftig verspekuliert. Furios will dem Phänomen des Self-Made-Unternehmers (Mark Zuckerberg) auf die Spur kommen, aber – soviel sei an dieser Stelle schon verraten – so ganz geglückt ist es leider nicht. Dabei fängt alles ganz gut an: Es gibt ein gut geführtes Interview mit dem Wirtschaftsjournalisten Wolf Lotter, der sich gegen Manager und für kreative und mutige Unternehmer ausspricht. Es folgt dann der eigentliche Kern des Titelthemas, der aus drei etwa gleich langen, thematisch nur lose miteinander verknüpften Artikeln besteht.

Zweifelhafter Rat von FURIOS

So behauptet Autor Tin Fischer in seinem Artikel “Die Unternehmungslustigen“, der Freien Universität mangele es an dem, was die Amerikaner “playfulness” nennen: Verspieltheit. Als Beispiel führt er unter anderem die Universität Cambridge an, die für ihre ausgefallenen Studentenstreiche bekannt sei. Playfulness mache nicht nur heiter, sondern auch unternehmungslustig, behauptet der Autor – und bleibt den Beleg dafür schuldig. Bei genauerem Nachdenken merkt man, dass es genau umgekehrt ist: Nicht Verspieltheit hat Cambridge und Harvard groß gemacht, sondern harte Arbeit. Frei nach dem Motto “Erst die Arbeit, dann das Vergnügen” können sie es sich in der Folge aber jetzt leisten, auch mal Quatsch auf dem Campus zu machen. Noch fataler sind die Empfehlungen, welche der Autor aus seiner falschen Annahme ableitet: So sollen FU-Professoren ihren Studenten doch einfach mal auftragen, eine Hausarbeit völlig frei zu erfinden! Wer als Schüler heute vom Gymnasium an die Universität kommt, hat seine Referate bisher vermutlich ganz ausgezeichnet mit Wikipedia bestreiten können. Gerade der Umstieg auf das wissenschaftliche Arbeiten, die Gewöhnung an die Regeln des kritischen Lesens, Interpretierens und Zitierens fällt schwer. Und das sollen die Professoren jetzt boykottieren? Bewusst wissenschaftliches Arbeiten unterbinden, ja mit einer schlechteren Note bestrafen? Ein zweifelhafter Rat.

Es fehlen Antworten!

Autor Laurence Thio hat sich unterdessen mit der Frage beschäftigt, wie die FU ihre Studenten beim Gang in die Selbstständigkeit unterstützt. Gründungsförderer wie Profund und Creare erreichen eher wenige Studierende und noch weniger Geisteswissenschaftler. Die Vorbehalte gegen die Selbstständigkeit sind groß. Am Beispiel von zwei Studenten, die mit PaperC eine Online-Plattform für Fachbücher gegründet haben, zeigt der Autor wie aus einer einfachen Idee ein Start-Up-Unternehmen wird. Der Haken: Auch bei PaperC sind es wieder BWLer die gegründet haben. Dies legt den Schluss nahe, dass es vielleicht doch eine bestimmte Art von Menschen ist, die überhaupt am Gründen interessiert sind. Nicht zuletzt haben Studenten der Wirtschaftswissenschaften durch ihr Studium einen wesentlich tieferen Einblick in die Materie, sie können die Chancen und Risiken einer Unternehmung vorher abschätze, und lernen nicht zuletzt wie man sich selbst gut verkauft. Gerade hier hätte man sich Antworten von den Gründern von PaperC gewünscht: Wie bewerten sie die Aussichten von “Laien” bei einer Gründung? Lassen sich Grundkenntnisse der BWL wirklich auslagern oder ersetzen?

Mangelhafte Distanz

Der dritte Artikel hat mit dem „Unternehmer“-Titelthema eigentlich ziemlich wenig zu tun: Es geht um die FU, die von Krise zu Krise schlittert. Die Autorin Claudia Schumacher kontrastiert Zitate von Uni-Präsident Lenzen (an der FU gebe es den „Spirit“ einer „Gründeruniversität“) mit den starken Verwerfungen in der jüngeren Vergangenheit. Das ist einerseits interessant, würde der Artikel nicht etwas unter seiner mangelhaften Distanz leiden. Beispiel: Ein Professor kritisiert große Einsparungen, welche die Qualität zerstören würden. Im nächsten Satz spricht die Autorin vom “Sparterror”, den der damalige Senat ausgeübt habe. Im Infokasten neben dem Artikel wird ebenfalls allzu deutlich die Position des Uni-Präsidenten vertreten. “Bildungssenator Zöllner verweigert nicht nur die nötige Budgeterhöhung, sondern stellt sich grundsätzlich gegen die Planungssicherheit und Autonomie der Berliner Hochschulen”, heißt es da ohne Zitat und weitgehend unreflektiert.

Keine Meinung und zu wenig Nachhaken

Das war es dann auch schon mit den Artikeln zum „Unternehmer sind Bessermacher“-Thema. Kein Bezug zu Mark Zuckerberg, keine kritische Reflektion über die Stellung von Unternehmern an der FU oder in unserer Gesellschaft. Furios versteht es ganz gut, sich ohne eine eigene Meinung aus der Affäre zu ziehen. Statt frech bestehende Zustände in Frage zu stellen wird leider nur etwas an der „unternehmerischen“ Oberfläche der FU gekratzt. Das gleiche Problem zeigt sich auch bei dem Interview mit FU-Präsident Lenzen: Zwar wird kritisch gefragt, Lenzens schwammige Antworten aber ebenso häufig einfach hingenommen. Wo bleibt das kritische Nachhaken? So entsteht letztlich ein bisschen der Eindruck, das einzige Versäumnis des Präsidenten wäre es, nicht ständig über den Campus zu laufen und in der Mensa essen zu gehen.

Für die Kaffeepause: Kultur

An der ersten Ausgabe der Furios hatte mir der Mut gefallen, das Heft komplett ohne Kulturressort herauszubringen. Jetzt gibt es eines und ich bin trotzdem angenehm überrascht. Statt Mini-CD-Rezensionen fungiert das Kulturressort als Platz für das Bunte und Vermischte: Ein Blick auf die Selbstvermarktungswelt von MySpace (sicher kein neues Thema), ein kurzweiliger Spaziergang durch Bibliotheken, ein Veranstaltungskalender mit sage und schreibe fünf (!) Tipps und schließlich ein bisschen Philosophieren über das MacBook. Nette Geschichten also für die Kaffeepause, mehr nicht.

Rückwärtsgewandt und zu alt

Was beim Lesen immer wieder auffällt: Furios gibt sich gerne rückwärtsgewandt. In “Die Drama Queen”, “Das ewige Experiment“, „Innige Verhältnisse“ und “Open Access to the Rattenkeller” stöbern die Autoren in vergangenen Zeiten. Das ist fast ein bisschen zu viel des Guten. Was ebenso auffällt: Die Furios pflegt wenig Bezug zu jüngeren Studenten. In der Reihe “4 aus 40.000” – einer Variante des ziemlich ausgelutschten NEON-Prinzips, Fotos von Studierenden mit persönlichen Aussagen zu verbinden – wird das überdeutlich: Lisa ist 26 Jahre, Simon ist 28 Jahre, Uli sogar 32 Jahre alt. Ein typischer Bachelorstudent schließt sein Studium im Alter von 21 Jahren ab. Ob er sich von den viel älteren Gesichtern in der Furios noch angesprochen fühlt? Ein weiteres Problem – aber hier ist die Furios sicher nicht allein – ist die Tatsache, dass fast nur Geisteswissenschaftler in der Redaktion schreiben. Leicht entsteht so der Eindruck, die FU würde nur aus der Silberlaube bestehen. Hier sollte sich das Magazin kreative Konzepte überlegen, auch andere Studiengänge in den Blick zu nehmen und einzubinden.

Eine gute Figur

Ausdrücklich zu loben ist die Gestaltung der Zeitung. Das Layout von Furios macht eine sehr gute Figur! Die Gestaltung mit eigens für das Heft erstellten Zeichnungen ist kreativ und beweist Stil. Die Aufmachung des Magazins kann dabei durchaus mit käuflich zu erwerbenden Publikationen mithalten. Wer einmal die Unicums und Unispiegels dieser Welt in der Hand hatte und sich über die doch eher lieblose Gestaltung geärgert hat, kann an Furios sehen, dass es trotz niedrigem Budget auch anders geht.

Mehr Meinung gegen den Strich

Furios trägt mit dem „Unternehmer sind Bessermacher“-Thema ziemlich dick auf und kann den selbstgesteckten Anspruch leider nicht ganz einlösen. Zu verstreut wirken die Artikel, zu gewollt ist manchmal auch der Bezug auf das Titelthema. Dem Heft fehlt manchmal einfach der rote Faden! An einer Uni, die von einem linken Asta auf der einen und einem neoliberalen Präsidenten auf der anderen Seite beherrscht wird, steht Furios zwischen den Fronten. Dieser Schwierigkeit begegnet das Heft mit einer selbstverordneten Positionslosigkeit: Wie sonst ist es zu erklären, dass es zu einem so polarisierenden Thema wie dem Unternehmertum an der FU keinen einzigen kontroversen Kommentar, keine einzige knallige Aussage in einem Artikel gibt? Meinung sucht man in Furios vergeblich – und das ist für ein Studentenmagazin doch sehr schade. Gerade hier könnte man gefahrlos Einstellungen vertreten, die vielleicht ganz bewusst gegen den Strich gebürstet sind. Furios sollte mutiger sein und mehr Stellung beziehen – ohne sich freilich von der einen oder anderen Seite vereinnahmen zu lassen. Ohne eigene Meinung wird jedes Studentenheft über kurz oder lang beliebig und uninteressant. Und das ist Furios nun wirklich nicht zu wünschen!

Lukas Bischofberger studiert Politikwissenschaft. Er betreibt den Chemnitz-Blog (http://chemnitzblog.wordpress.com) und arbeitete für unterschiedliche studentische Medien (Tuchfühlung, RadioUnique).

Bist Du einer Meinung mit der Blattkritik, gibt es noch mehr zu bemängeln oder ist gar die Kritik selbst kritikwürdig? Diskutier mit!

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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1 Response

  1. Claudia Schumacher sagt:

    kleine Korrektur zur Blattkritik: FURIOS hat seit der ersten Ausgabe ein Kulturressort. Warenfetisch, Flaneur, Kalender – Die Rubriken haben wir auch in der aktuellen Ausgabe weitgehend beibehalten. Neu ist nur die Reportage.

    und noch ein Tipp: Mehr Veranstaltungen rund um die FU findet ihr in unserem Online-Kalender!

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