Der Bildungsstreik ist wieder in vollem Gange. Hörsäle in der TU, HU und auch an der FU sind besetzt. In der Silberlaube haben die Studierenden sogar ein Zeltlager eingerichtet. Interview mit einer Aktivistin.
Das Interview führte: Nick Flamang Foto: Cora-Mae Gregorschewski
Zwei Zelte und jede Menge Plakate säumen den Raum vor den Hörsälen 1a und 1b. Bildungsstreik, Solidarität mit Wien heißt es auf den Plakaten. Seit knapp zwei Wochen campen Studierende in der Silberlaube. Eine von ihnen ist Vanesse, 3. Semester Grundschulpädagogik und Französische Philologie.
Wieso habt ihr hier eure Zelte aufgeschlagen?
Das hatte den Auslöser in der Anglistik, da gibt es ein Seminar, das wollen 150 Erstsemester machen. Aber es gibt nur einen Raum für 120 Leute, also stehen da einfach mal 30 Studierende draußen oder müssen auf dem Boden sitzen. Alternativen wie Raumtausch oder den Wechsel in einen leerstehenden größeren Raum wurden einfach ignoriert. Aber es geht auch um generelle Probleme, also mangelnde Kommunikation an der Uni und die hierarchische Raumvergabe.
Also sollte ein generelles Zeichen gesetzt werden. Deshalb auch die Bildungsstreik Plakate?
Ja, genau. Es ist uns wichtig zu zeigen, der Bildungsstreik ist immer noch da.
Zum Thema Bildungsstreik, was sind da eure genauen Forderungen?
Die sind eigentlich die gleichen wie letzten Sommer, da wurde alles nicht ausreichend oder aber gar nicht umgesetzt. Wir fordern immer noch selbstbestimmtes Leben und Lernen, mit entzerrten Stundenplänen, mehr Wahlfreiheit und die Verkleinerung von Seminargruppen.
Eine eurer Forderungen ist auch das Abschaffen der Anwesenheitspflicht. Warum?
Die Anwesenheitspflicht schränkt Studenten, die nebenher arbeiten müssen einfach total ein. Dazu belegt man die Kurse und Seminare oft nur, weil man muss und nicht, weil man will. Dann sitzt man da nur, weil man sich auf dieser doofen Liste eintragen muss.
Aber sind dann nicht eine Verbesserung der Seminare und mehr Wahlfreiheit viel wichtiger? Ist die Anwesenheitspflicht dann nicht sinnvoll?
Ja natürlich ist die Verbesserung der Seminare wichtig. Auch, dass man einfach das wählen kann, worauf man Lust hat. Uns geht es darum, dass man zur Uni geht, weil man das will, nicht weil man dazu gezwungen wird.
Im Sommer haben sich deutlich mehr Schüler- und Schülerinnen am Bildungsstreik beteiligt als Studierende. Glaubt ihr die gesamte Studentenschaft zu vertreten?
Nein. Und das fände ich auch anmaßend. Wenn Frau Merkel sagt, sie ist Kanzlerin aller Deutschen, hat sie mich ja schließlich auch nicht gefragt, ob ich das finde. Uns geht es vor allem Leute für Probleme zu sensibilisieren und ihnen zu zeigen, dass Veränderungen möglich sind.
Zu der Sensibilisierung: Die Zelte hier sind schon auffällig. Aber ihr übernachtet nicht wirklich in der Uni, oder?
Nein. Am Donnerstagabend kam Kanzler Lange zu uns und nach einer Diskussion mit ihm kam es zu dem Kompromiss, dass wir nicht in der Uni schlafen, aber unsere Sachen hier bleiben. Und ob wir die Zelte morgens um acht wieder aufgebaut haben und die anderen denken wir hätten hier geschlafen oder wir wirklich hier schlafen, ist von der Wirkung her erst einmal egal.
Eine Frage zum Schluss: Wieso beteiligst du dich am Bildungsstreik?
Zunächst mal über mein Studium. Schließlich ist im Bildungssystem alles ineinander verzahnt, von der Grundschule bis zur Uni. Und dann, weil ich will, dass sich die Leute als Teil der Gesellschaft sehen und aktiv an ihr beteiligen sollen. Sonst sind das hier einfach alles super nette, engagierte Menschen, mit denen ich gerne Zeit verbringe.