RAF-Anwalt, passionierter Fahrradfahrer, Kreuzberg-Maskottchen, Mitbegründer von taz und den Grünen. Ein Portrait über Hans-Christian Ströbele von Tobias Heimbach.
Ist es schwer, sich treu zu bleiben? Er nickt, ja, ganz gewiss. Bleibt sich aber nicht gerade derjenige treu, der sich auch verändert? Hans-Christian Ströbele sieht das nicht so. Seine ehemaligen Weggefährten haben Metamorphosen hinter sich, wurden Innenminister, Berater bei BMW, auch NPD-Mitglieder. Ströbele aber bleibt. Stur.
Wie ein 70-Jähriger wirkt der Mann in Jeans beim Besuch in seinem Abgeordnetenbüro nicht. Aufmerksam, angriffslustig und etwas lausbubenhaft blitzen seine auffallend blauen Augen unter den buschigen Brauen hervor. Es ist ein warmer Aprilnachmittag, das Fenster in Ströbeles Büro steht offen.
Als der Mann mit den weißen Haaren 1961 aus Heidelberg an die Freie Universität wechselte, sah es nicht so aus, als sollte 50 Jahre später »MdB« an seiner Tür stehen. Während seines Jura-Studiums hatte er das »Studentenleben und natürlich Frauen« im Sinn. In seiner Freizeit half er Ostberlinern bei der Flucht in den Westen. Für ihn eine »Mischung aus Abenteuerlust und humanitärem Engagement«.
An der FU ging es zunächst weniger aufregend zu. Studentenproteste gab es Anfang der 60er Jahre noch nicht. Die Urabstimmung zum Sturz des Burschenschaftlers und späteren Berliner CDU-Bürgermeisters Eberhard Diepgen als Vorsitzender des rechts dominierten AStAs bleibt vorerst die einzige poltische Initiative, die Ströbele aktiv unterstützt.
Sein Erweckungserlebnis kommt, wie für so viele seiner Generation, als am 2. Juni 1967 der Polizist Karl-Heinz Kurras den wehrlosen Demonstranten Benno Ohnesorg erschießt. Noch am selben Abend tritt Ströbele in das Anwaltsbüro von Horst Mahler ein und wird schlagartig in die Studentenbewegung katapultiert. »Von da an war ich bei allen Demonstrationen dabei und habe viele Studenten vor Gericht vertreten.« Damals lernt er auch Rudi Dutschke kennen, von dem er heute noch mit großer Bewunderung spricht. »Mit seinem Charisma und politischen Reden hat er uns begeistert. So einen gab es danach nicht wieder.« Später vertritt Ströbele RAF-Mitglieder in Stammheim. Diese Jahre haben ihn geprägt, bis heute.
»Ich glaube, dass eine neue Art sozialistischer Gesellschaft kommen wird. Die Entwicklung der Menschheit führt dahin, davon gehe ich aus.« Ströbele ist seiner Überzeugung ein Leben lang treu geblieben. Andere knickten ein, er aber blieb stehen wie der trotzige Gegenbeweis auf die Phrase »Wer mit 20 Jahren nicht Sozialist ist, der hat kein Herz, wer es mit 40 Jahren noch immer ist, hat kein Hirn.«
Doch einfach war es nicht immer. Als Bundeskanzler Gerhard Schröder 2001 die Abstimmung über die Teilnahme am Afghanistaneinsatz an die Vertrauensfrage band, sprach sich Ströbele gegen den Krieg und somit auch gegen die rot-grüne Koalition aus: »Es ist nicht leicht bei seiner Meinung zu bleiben, wenn alle um einen herum auf eine andere Entscheidung drängen.«
Die Grünen wandelten sich mit der Zeit, Ströbele nicht. Obwohl ideologisch näher, will er mit der Linkspartei nichts zu tun haben. Vielleicht ist er zu alt für einen erneuten Frontwechsel, vielleicht zu unbeweglich. Vielleicht brauchen Idealisten immer auch eine Portion Sturheit.
Wie soll es nun weitergehen? Kehrt so jemand der Politik einfach den Rücken? »So lange es geht, werde ich mich für meine politischen Ziele einsetzen«, sagt er. Statt Busreisen in den Harz und Golfplätze interessieren ihn Afghanistan und die Finanzkrise. »Manche Sachen bringen mich immer noch auf die Palme. Da kann ich nicht ruhig vorm Fernseher sitzen und nur zusehen.«
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