in/compatible – Die transmediale 2k+12

Die “transmediale”, die vom 31.01. bis zum 05.02. im Haus der Kulturen der Welt stattfindet, ist ein Festival für Kunst und digitale Kultur. Künstler, Wissenschaftler und Aktivisten aus aller Welt präsentieren ihre Arbeiten in Symposien, Ausstellungen, Performances, Video-Screening und Konzerten. Katharina Hilgenberg hat es sich vorab angeschaut.


Foto: transmediale.de

Das Ladekabel passt nicht zum Handy, der Dozent kann die OpenOffice-Datei nicht öffnen, es existiert keine Verbindung zwischen Beamer und Computer – was zusammen passen sollte, ist unvereinbar, inkompatibel. All diese kleinen Ärgerlichkeiten, banal bis schwerwiegend, haben wir so oder ähnlich schon mal erlebt.

“In/compatible” heißt das Thema der “transmediale” in diesem Jahr. Das Festival für Kunst und digitale Medien will Unvereinbarkeiten in ihrer Destruktivität einerseits und ihrem (kreativen) Potential andererseits erforschen. Dabei geht es um weit mehr als die eingangs beschriebenen, kleinen Alltagsprobleme.

Für die FURIOS habe ich eine Presseakkreditierung zum Festival bekommen. Es ist mein erster Pressepass und so mache ich mich ein bisschen aufgeregt und sehr gespannt auf zur Pressekonferenz und Ausstellungspreview im Haus der Kulturen der Welt. Nervös hätte ich nicht sein müssen – die „richtigen Journalisten“, die sich dort versammelt haben, sind vollkommen durchschnittliche Menschen, ein paar mittelalte Yuppies und übercool gelangweilte Musikblogger, der Rest wahrscheinlich Praktikanten. Ich passe eigentlich ganz gut ins Bild und ich fühle mich sehr wichtig.

Schnell schnappe ich mir meine glänzende Pressemappe und irgendeinem Kulturredakteur das letzte Poster vor der Nase weg – wer sie gesehen hat, weiß, dass sie toll aussehen.

Im Konferenzraum stellen die Kuratoren Kristoffer Gansing, ein sehr jung aussehender Schwede, der sich selbst als „Medienarchäologe“ bezeichnet und erst in diesem Jahr die Leitung der “transmediale” übernommen hat, und Jan Rohlf vom CTM, dem gleichzeitig stattfindenden Musikfestival, ihre Konzepte vor. Dass sie dabei vor einem riesigen, kompliziert aussehenden Kabelchaos sitzen und manchmal nach technischer Hilfe fragen müssen, passt eigentlich ganz gut zum Thema des Festivals.

Im Anschluss findet eine Presseführung durch die Ausstellungen im Haus der Kulturen der Welt statt. Das Festival ist in vier Teile aufgegliedert und auch durch die Fülle an Veranstaltungen am Anfang etwas schwer zu überblicken. Dabei hilft auch die “multicolored timetable” wenig.

Die Initiative “reSource”, eine von Tatiana Bazzichelli kuratierte „Plattform für hacktivistische Praxis, Forschung und künstlerische Produktion“ beinhaltet im Rahmen des Festivals Installationen wie den Misskommunikationsapparat R15N des Künstlerkollektivs “Telekommunisten” und Panel-Diskussionen, die wiederum in die Themenschwerpunkte “Methods”, “Activism”, “Networks”, “Markets” und “Sex” unterteilt sind.

Sandra Naumann, Kuratorin des Performance-Programms, führt uns in das Auditorium, wo wir die Aufbauarbeiten des legendären Lichtkünstlerkollektivs “Joshua Light Show” sehen. Das Equipment der New Yorker ist dasselbe, das sie bereits bei ihren Auftritten mit Jimi Hendrix und Janis Joplin benutzten. Joshua selbst wirkt erstaunlich frisch und wenig drogenzerfressen dafür, dass er damals in Woodstock spielte. Die Gruppe tritt an drei Abenden mit jeweils unterschiedlichen Musikern auf.

Im Untergeschoss zeigt uns Jacob Lillemose die Ausstellung “Dark Drives”, deren Kernstück eine schwarze Festplatte auf schwarzem Sockel ist. Das Stück des amerikanischen Künstlerduos Art 404 enthält ein Terrabyte an illegalen Downloads im Wert von fünf Millionen Dollar.

Nicht verpassen sollte man das von Marcel Schwierin kuratierte Videoprogramm “Satellite Stories”, das die Kompatibilität des Menschen und seiner artifiziellen Umgebung hinterfragt. Reinterpretierungen diverser Youtube-Videos bilden einen Teil des Programms und vermischen sich wunderbar mit Performanz-Aufnahmen wie der von Dennis Feser, der sich vor der Frankfurter Skyline in Klebeband und Gemüse einwickelt. Zudem werden anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Festivals, damals als Ableger der Berlinale gegründet, alle Videos der ersten “transmediale” gezeigt.

Als ob das alles nicht genug wäre, gibt es schließlich das Symposium mit einer Keynote-Adress des Philosophen Graham Harman und Diskussionen, an denen unter anderem Mitglieder von Anonymus teilnehmen. Es geht hier um Inkompatibilitäten im weiteren Sinne: die Finanzkrise und die Unvereinbarkeit demokratischer Systeme mit internationaler Technokratie, Missfunktionen zwischen Regierungen und ihren Bürgern, wie im arabischen Frühling gesehen, und die Frage, wie Inkompatibilitäten in einem System zur Erneuerung und Verbesserung, aber auch zur Destruktion desselben beitragen.

Das ist viel Input für eine Woche. Die Fülle an Programmpunkten und die gelungene Themenauswahl machen die “transmediale” zu einem Highlight im jährlichen Berliner Veranstaltungskalender. Das Festival erinnert uns daran, dass wir uns täglich in einer digitalen Welt bewegen, die wir zu selten hinterfragen. Wer sich nicht sicher ist, ob sich ein Besuch lohnt, für den sei noch erwähnt, dass der Künstler Gæoudji Sygnok nicht nur ein netter, wenn auch etwas verwirrter Typ ist und ein Monokel trägt, sondern auch seine gesamte Habe im Foyer verschenkt.

Zum Schluss eine kleine Anekdote: während ich mir noch am Ausgang meine Taschen mit Gratisprospekten und -postern vollstopfe, klingelt plötzlich ein Telefon neben mir. Die Dinger stehen überall im Haus herum und sind Teil der Telekommunisten-Installation. Vier Leute standen um das Gerät und blickten sich beklemmt an, während wirklich keiner rangehen wollte. Was soll man auch sagen, wenn man keine Ahnung hat, wer am anderen Ende der Leitung ist? So ging der wohl erste Anruf des R15N ins Leere. Misskommunikation. Incompatible.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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