Smalltalk-Level: Prof

Der Umgang mit Menschen in gesellschaftlich hoher Stellung führt manchmal zur Kommunikationsbarriere. Warum ist das nur so, fragt sich Robert Ullrich.

Illustration: Cora-Mae Gregorschewski

Kreuzberg. Geburtstagsfeier zu später Stunde. Die liebe Institutskollegin feiert ihr rundes Jahr. Raumfüllende Lautsprecher zelebrieren Joy Divisions She‘s lost control. Die Gäste innig vom Rhythmus eingenommen. Dämmriges Licht taucht den Raum in Bunt, so wie es das Publikum auch ist – darunter die eine oder andere Professorin.

Verloren im Moment des Momentes arbeiten sich Buchstaben Richtung Ohr.

„Robert! R-o-b-e-r-t!“

Ein Gespräch von links schleicht sich heran.

— „Was gibt’s?“

„Bist du eigentlich gut im Smalltalken!?“

— „Ja.“

„Wie geht das? Ich kann immer nur Wetter und so. Besonders wenn es mit der Chefin sein muss.“

— „Chefin?“

„Professorin!“

— „Na, wo befinden wir uns denn hier gerade?“

„Im Vorraum zu einem Kino.“

— „Was war dein letzter Film, den du gesehen hast?“

„Oh Boy.“

— „Hm, kenn‘ ich nicht, aber meine Mitbewohnerin meinte letztens etwas von einem Film, der den Eichmannprozess zur Sprache brächte…“

„Hannah Arendt!“

— „… genau! Gute Frau! Mag sie. Wie sie wohl jemals mit dem Heidegger zusammen kommen konnte?“

„Frag ich mich auch öfter. Hab‘ ihre Biografie mal gelesen…“

— „Weißt, du was wir hier gerade machen?“

„Smalltalken!“

Fassen wir zusammen: Der Unterschied zwischen dem Smalltalk von uns beiden gerade eben und dem Gesuchten zur Professorin ist nur in deinem Kopf! Du konstruierst dir einen Menschen, dem du mehr Ehrfurcht zugestehst, als es eigentlich gesund ist. Und zwar in dem Fall ungesund für die Professorin. Denn die – in aller Herrgottsnamen (nur so ‘ne Redewendung) – will doch lediglich auf dieser Party sein und Spaß haben; will weder einen Respektkreis um sich noch Bewerbungsgespräche für die nächste Promotionsstelle.

Es ist nun wirklich kein Geheimnis, dass Menschen stets mehrere Rollen in ihrem Verhaltensrepertoir wissen. Zugegeben, nicht alle haben eine Begabung, ihre Rollen zufriedenstellend auszufüllen, aber das ist eine andere Geschichte. Kannst du dir nicht vorstellen, dass nichts die Professorin mehr belastet als Menschen, die in ihr nichts weiter sehen als „die Professorin“? Wie demütigend! Werden doch mit einem Schlag alle ihre mühsam gepflegten Nebenrollen negiert!

Klar gibt es die, die vom Status ihrer Rolle leben und Gespräche über Persönliches gefälligst nicht mit dem Fußvolk der Akademie besprechen wollen. Das sind dann die, die die Normen (yeah , dreimal „die“!) in den Mittelpunkt ihres Daseins stellen und nicht den Menschen. Aber die (zählt jemand mit?) wirst du hier auf so einer Party nicht finden. Eine Party wie diese passt nämlich gar nicht in deren Weltbild. Gibt es leider auch: Professoren mit sehr kleinem Weltbild. Traurige Gestalten.

Eigentlich, du ahnst es schon, geht es auch gar nicht um den Smalltalk, sondern um den generellen Umgang mit der Professorin! Ich kann dazu nur sagen: Lass ihnen die Menschlichkeit! Mensch sein heißt Verdauung haben. Niemand pupst Blumen. Verstehst du, was ich um die Ecke schicken will?

Hierarchien gibt es, logisch. Aber selbst auf Professorenseite wünschen sich wohl die meisten ein entspannteres Verhältnis zu ihren Studierenden. Behaupte ich. Und wenn du jetzt losziehst, Augenhöhe herstellst, aber empört ob der Respektlosigkeit dennoch verwiesen wirst, dann drehe um, strecke deine Hand aus, empfange den guten K. Valentin und verlasse erhobenen Hauptes den Raum, nicht ohne über deine Schulter unüberhörbar zu verkünden: „Ich bin auf Sie angewiesen, aber Sie nicht auf mich! Merken Sie sich das!“

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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