In der Kirche gibt es das Wort, bei FURIOS den „Song zum Sonntag“. In den Semesterferien stellt Robert Ullrich jede Woche ein Musikstück vor. Augen zu, Lautsprecher an – heute: Klassik.
Das musikalische Bonbon dieser Woche entstammt der zeitgenössischen Klassikmusik. Es heißt Fratres I, geschrieben hat es Arvo Pärt. 1984 schaffte der gebürtige Estländer mit seinem Debüt „Tabula Rasa“ den Durchbruch. Seit dem geht es für ihn nur noch in eine Richtung: Aufwärts.
Arvo Pärt! Der Name ist mir inzwischen so vertraut, dass ich mich frage, wie jemand noch nie von ihm gehört haben könnte. Erst kürzlich war er wieder in allen Medien zu lesen. Die einschlägigen Feuilletons in der ZEIT, im Guardian und der Süddeutschen haben Pärts neue CD „Adam’s Lament“ besprochen und gefeiert.
Arvo Pärt! Moment; habe ich nicht selbst erst vor wenigen Monaten seinen Namen erstmalig gehört? Wie kann es sein, dass sich das so schnell vergisst?
Es scheint: Ist die Leiter zur nächsten Erkenntnisebene erklommen, wirkt das zurückgelassene Level unendlich weit weg. Je mehr Stockwerke genommen werden, desto verschwommener wird der Blick zurück. Wer dann nicht mehr sieht, wo die eigene Entwicklung begann, verfällt der Arroganz. Pärts Musik ist eines dieser neu erklommenen Stockwerke und gleichzeitig Fahrstuhl zum Erdgeschoss.
Die Motivation für sein Schaffen zieht er aus der Religion. Religion, besonders die Christliche, zelebriert die Demut wie kaum eine andere Institution. Pärt macht diesen Geist hörbar. Jede der sorgsam gesetzten Noten leitet auf dem Weg zur Selbsterdung. Nach elf Minuten Fratres ist klar: Der Komponist versteht sein Handwerk. Das Stück macht einen guten Job: Baut sich auf, stampft, versinkt, berappelt sich, explodiert und siniert über das Vergangene. Ist es vorbei, rauschen die Ohren in der Stille und schauen die Augen abwärts.
Song: Fratres I
Interpret: Arvo Pärt
Album: Tabula Rasa, 1985
Label: Ecm Records (Universal)
Preis: 11 Euro (Album-Download), 2,39 Euro (Song-Download)
Frontpage-Illustration: Luise Schricker
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