Gosse, Gangstas, Genitalien

Das südafrikanische Rap-Ensemble Die Antwoord ist durch Klamauk und Kontroversen zum Erfolg gekommen. Ob ihr neuestes Album „Donker Mag“ mehr als Schimpfwörter und Schockmomente zu bieten hat, weiß Cecilia Fernandez

Vier Kulturgrößen: Bob Marley, Johann Wolfgang von Goethe, Woody Allen und William Shakespeare. Illustration: Luise Schricker

Vier Kulturgrößen: Bob Marley, Johann Wolfgang von Goethe, Woody Allen und William Shakespeare. Illustration: Luise Schricker

„Cookie Thumper“ – so hieß die erste Single des Ende Mai erschienenen Die Antwoord-Albums „Donker Mag“. Im dazugehörigen Video rappt Frontfrau und Gossenlolita Yo-Landi Vi$$er unverblümt über ihre Beziehungsprobleme: Ihr Liebhaber Anies – Drogendealer und Gangmitglied – ist kürzlich aus dem Gefängnis entlassen worden. Seitdem verschmäht er Vaginalsex – Anies will nur noch anal.

Also alles beim Alten in der Welt von Die Antwoord. Geschmacklosigkeit, die sich nie entschuldigt, verstörend-betörende Bilder und Texte, die ständig die Grenzen des Erträglichen suchen und dabei kommerzielle Sprengkraft beibehalten: Die südafrikanische Rapcrew aus Ninja, Yo-Landi und DJ Hi-Tek pflegt ein Image, das karikierende Protzigkeit mit futuristischen Kunstkonzepten und Gesellschaftskritik kombiniert. Dabei verwischen sie die Grenzen zwischen Hoch- und Unterhaltungskultur ebenso konsequent wie jene zwischen Authentizität und Kunstfigur.

Sex, Gewalt und Gangsta-Dasein

„Donker Mag“ ist Afrikaans für „Dunkle Magie“ und der Name ihres dritten Albums. Thematisch greifen die Rapper bekannte Sujets auf: Sex, Gewalt und Gangsta-Dasein. Obwohl, oder gerade weil die Thematiken von vorherigen Alben vertraut sind, gelingt die Verarbeitung nicht immer. „Pitbull Terrier“, dem Soundtrack des Kultfilms „Schwarze Katze, weißer Kater“ fast ohne Änderungen entnommen, schafft es, die Beats derart zu verdichten, dass ihnen jegliche Finesse abgeht. Es entsteht ein lauter und grober Song, der fast mechanisch ins Ohr geht, mit vergangenen Hits im selben Stil, etwa „Baby’s On Fire“, jedoch nicht mithalten kann.

„Sex“ hingegen hält textlich zwar genau, was sein Titel verspricht: “Then just fuck until you can’t, fuck until you / Can’t fuck no more, then fuck some more”. Aber dabei weht Yo-Landis unverwechselbare, Helium-hohe Stimme in der Hook wie eine Brise über einen Synthesizer, der große 80er-Jahre-Melodien evoziert. Ninja wiederum hält in seinen Parts Rhythmus und Intonation gezielt stoisch. Zusammen mit einem glockenklaren Beat ergibt sich ein Lied, das so simpel wie anmutig ist. Das sanft verzweifelnde Frauenstöhnen, das im Hintergrund eingestreut ist und vor dem Breakdown seinen Höhepunkt erreicht, wirkt in diesem Kontext nicht gewollt, sondern gekonnt.

Das Auge des Sturms

Musikalisch bedienen sich Die Antwoord auf „Donker Mag“ bei allen Sparten des Hip Hop. Ein klassischer Diss-Track samt Unterstellung kleiner Genitalien und minimalistischem Arrangement wird mit „Rat Trap 666“ geboten. Einen höchst tanzbaren Rückgriff auf den Reggaeton um die Jahrhundertwende liefert „Girl I Want To Eat You“. Mit „Raging Zef Boner“ stellt sich Ninja in die Tradition eines Eminems zu „Without Me“-Zeiten und klagt augenzwinkernd das Leid eines zu gut bestückten Mannes, mit dessen Priapus es nur sehr mutige Frauen aufnehmen können. Es gilt: Das Album ist im Sound wesentlich wandlungsfähiger als im Text.

2010 sprach Ninja in einem Interview von einem 5-Alben-Plan. „Donker Mag“ würde die Mitte markieren. Das Bild ist treffend: Das Album ist fast immer krude, häufig aggressiv und ehrlich, in manchen Momenten herrlich – alles, wofür Die Antwoord bisher bekannt sind. Doch verharrt es auf einem hohen Niveau, das trotzdem keine Spitze ist und lebt letztlich nicht von Innovation, sondern von der exzellenten Produktion und dem Talent der Beteiligten. Gilt der 5-Alben-Plan noch, ist zu hoffen, dass „Donker Mag“ das windstille Auge des Sturms ist, das von einem kreativen Durchbruch gefolgt wird.

Die Antwoords „Donker Mag“
Label: Zef Records
Erscheinungsdatum: 30. Mai 2014
Preis: 15,99 Euro

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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