Bibliotheken im Test: Die Spezialisierte

Krankenhaus-Phobiker und Freunde der Fachbücher sollten der Medizinischen Bibliothek der Charité fern bleiben. Allen anderen bietet sie ein ruhiges Plätzchen zum Arbeiten. Ein Rundgang von Melanie Böff

Der Eingang zur Medizinischen Bibliothek der Charité. Foto: Melanie Böff
Der Eingang zur Medizinischen Bibliothek der Charité. Foto: Christoph Spiegel

Bereits auf dem Weg zur Medizinischen Bibliothek versprüht das Weddinger Virchow-Klinikum den typischen Krankenhauscharme. Durch den alten Krankenhauseingang am U-Bahnhof Amrumer Straße führt die parkähnliche Mittelallee, an der sich links und rechts die Kliniken des Virchows aneinanderreihen. Der große Trubel einer Notaufnahme herrscht hier nicht: Mehr oder minder bandagierte Patienten sitzen plaudernd auf den Bänken oder fahren leicht bekleidet in Op-Hemdchen ihren Tropf spazieren.

Bibliotheksgänger dürfen sich von diesem Anblick nicht abschrecken lassen. Nur, wem diese Bilder nichts ausmachen oder wer sie erfolgreich verdrängt, kann am Ende der Allee schließlich die Stufen zur Bibliothek emporgehen.

Spuren der Pathologie

An den Schließfächern entfällt praktischerweise das ewige Kramen und Fragen nach der Euro-Münze. Für alle ohne passendes Kleingeld steht hier ein Geldwechselautomat bereit. An der Ausleihe vorbei findet sich rechts ein mit knapp zwanzig Arbeitsplätzen spärlich ausgestatteter PC-Raum. Entschließen sich Studierende, einen Rundgang durch die gesamte Bibliothek zu machen, führt dieser als nächstes zu den Lehrbuchsammlungen mit ihren riesigen Regalen voller Medizinliteratur – andere Fachbücher finden sich hier nicht.

Bis in die 1990er-Jahre hinein wurde die heutige Medizinische Bibliothek als Pathologie des Virchow-Krankenhauses genutzt. Nach dem Umbau ist das Gebäude jetzt um einiges freundlicher gestaltet. Trotzdem fällt es nicht schwer, sich anstatt der Schreibtische in den Lesesälen Obduktionstische vorzustellen.

Leider hat auch das Bodendesign der alten Pathologie den Umbau überlebt. Durch den Bau zieht sich durchgängig türkisfarbener PVC-Boden. An den Wänden hängt großformatig düstere und erdrückende Kunst, die sich zumindest von der Farbgebung her in das Flair von Tod und Pathologie einreiht. Dass man sich zum Lernen in einer Bibliothek wohlfühlen muss, hat ja auch nie jemand behauptet.

Schmuckstück im Untergeschoss

Wer den Gang verlässt, in dem ein etwas abgestandener Geruch hängt, erreicht durch die türkisfarbenen Türen die Lesesäle. Die drei Säle sind durch die offene Architektur der Bibliothek miteinander verbunden. Trotzdem herrscht hier erstaunliche Ruhe.

Im Vergleich zu den Fluren fallen die Lesesäle klein aus. Da sich aber offenbar trotz Prüfungsphase wenig Charité-Studierende zum Lernen in den Wedding verirren, finden sich immer wieder freie Tische – auch mittags noch. Wer für seine Hausarbeit oder Klausurvorbereitung jedoch die eigene Fachliteratur braucht, ist hier falsch. Mit regalweise medizinischen Büchern und Zeitschriften ist hier alles auf die Studenten der Charité abgestimmt.

Ein Schmuckstück birgt die Virchow-Bib mit dem Lesesaal im Untergeschoss dann aber doch noch. Das komplett verglaste Dach über dem quadratischen Raum lässt eine Art Lichthof entstehen. An den unverputzten Steinwänden stehen meterhohe Pflanzen. Hier herrscht eine helle und freundliche Atmosphäre, die trotz des vergilbten Teppichs bestehen kann.

Eine Bibliothek für jedermann kann und will die Medizinische Bibliothek der Charité nicht sein. Bücher anderer Fachrichtungen und Arbeitsplätze fehlen. Essen gibt es nur in der Krankenhaus-Cafeteria oder in der Mensa der Beuth Hochschule, die allerdings einige Meter entfernt liegt. Trotzdem bietet sie denjenigen, die im Wedding und Umgebung wohnen, einen ruhigen und übersichtlichen Ort zum Lernen.

Medizinische Bibliothek der Charité

Campus Virchow-Klinikum

Adresse: Augustenburger Patz 1

Top: ruhige und durch die Medizinstudenten höchst konzentrierte Arbeitsatmosphäre, ausreichend Schließfächer plus Geldwechselautomat, lichtdurchflutete Lesesäle

Flop: Krankenhausluft und -design in den Gängen, keine Mensa in direkter Nähe, nur Medizinliteratur



Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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