“Viscous Bodies” lautet der Arbeitstitel, unter dem die dänische Choreographin Mette Ingvartsen zusammen mit Masterstudierenden der Tanzwissenschaften, dieses Semester ein Stück entwickelt. Von Lukas Burger
Mette Ingvartsen weiß noch nicht, ob sie diesmal mit nackten Körpern arbeiten möchte. Schließlich befindet sich die Performance, die die Dänin zusammen mit 18 Studierenden des Masterstudiengangs Tanzwissenschaften entwickelt, noch in einem sehr frühen Stadium. „Wenn ich mit Freiwilligen arbeite, ist von Anfang an klar, dass alle bereit sind, sich auszuziehen”, erläutert die Dozentin. „Bei Studierenden ist das anders. Da muss vorher genau besprochen werden, inwiefern sich alle einbringen möchten.” Unter dem Arbeitstitel „Viscous Bodies“ versucht Ingvartsen gemeinsam mit den Teilnehmer*innen ihres Projekts, die Grenze zwischen Objekten und menschlichen Körpern zu verwischen und die Flüchtigkeit dieser Kategorien zu verhandeln.
Mette Ingvartsen hat selbst Tanz und Choreografie studiert. Zuerst in Amsterdam, dann in Brüssel, wo sie im Jahr 2004 an der Schule für Performance-Kunst ihren Abschluss machte. Schon davor brachte sie ihre erste Performance „Manual Focus“ auf die Bühne. Mittlerweile hat sie über ein Dutzend Kunstaktionen und Tanzaufführungen inszeniert. Im Sommer fängt sie an der Volksbühne Berlin an, als festes Mitglied im Team des neuen Intendanten Chris Dercon. Seit Beginn des Sommersemesters übernimmt sie die Valeska-Gert-Gastprofessur an der FU – eine Kooperation mit der Akademie der Künste und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst. In dieser Professur werden Wissenschaft und künstlerische Praxis vereint. Ingvartsen gefällt diese Mischung.
In ihrer eigenen Arbeit interessiert sie seit jeher die Sexualität und ihre Bedeutung für unser zwischenmenschliches Miteinander. Während ihrer Performance „To Come“ imitierte sie mit anderen Künstler*innen Sexstellungen, alle trugen Ganzkörperanzüge, sodass niemand einem Geschlecht zugeordnet werden konnte. Aktuell recherchiert Ingvartsen zum Einfluss von Pornographie auf die Medien. So würden sich Nachrichten- oder Unterhaltungsformate an Pornos orientieren, erzählt sie. Sie vergleicht dabei zum Beispiel die Struktur von Kriegsberichterstattung mit erzählerischen Dramaturgie von Pornos.
Ob dieses Thema für die Arbeit mit ihren Studierenden zu delikat ist, will sie nicht sagen. „Ich möchte in meinem Seminar nicht in einem strengen Rahmen arbeiten, in dem ich die Lehrerin und die anderen die Lernenden sind.” Das sei wichtig, um vertrauensvoll zusammenarbeiten zu können.
Noch bis zum 30. Juni laufen die Proben für „Vicous Bodies”, dann soll aufgeführt werden. Von festen Stoffen wie Plastik bis zu porösen wie Styropor oder Schaum prüfen Ingvartsen und ihre Studierenden solange Materialien auf ihre Tauglichkeit für das Projekt. Eines steht bereits fest: Das Event soll drei Stunden dauern und damit die Grenzen zwischen Performance und Kunstausstellung verschwimmen lassen. Die Länge ist dabei auch als künstlerisches Mittel gedacht: „Unsere aktuelle Welt und vor allem unsere Mediennutzung ist auf Effizienz ausgerichtet. Deswegen halte ich es für wichtig, sich mit ‚Dauer’ als künstlerischem Werkzeug zu beschäftigen.“