FURIOS verguckt sich: Oder nicht?

Swipen ist einfach, doch Franziskus Montermann* wollte mehr als wunde Finger: Sich über Tinder vergucken. Und so traf er das erste Mal eine Online-Bekanntschaft. Das Protokoll eines Experiments.

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Unser Autor wagte das Tinder-Selbstexperiment. Foto: @markheybo (flickr.com)

Mein Auftrag für diesen Artikel: Ich soll mich bei Tinder vergucken. Nichts leichter als das, denke ich, lade die App auf mein Handy und beginne zu swipen. Es wäre eine Lüge, zu behaupten, ich hätte Tinder noch nie benutzt, doch getroffen habe ich mich bisher noch mit keiner Online-Bekanntschaft. Ich bin mir unsicher: Verlieben über Online-Dating? Kann das wirklich funktionieren?

Es kann. Auch in meinem Freundeskreis haben sich Pärchen über Tinder zusammengefunden und bei einigen hält die Beziehung nun schon mehrere Jahre. Gleichzeitig hört man aber immer wieder, dass etwa 40% der Nutzer*innen von Online-Dating-Plattformen bereits in einer Beziehung sind und die App nur aus Langeweile oder Neugier nutzen. Andere suchen einfach nur Freund*innen, etwas Kurzweiliges oder die Hotspots der Stadt. Insbesondere letztere Spezies erscheint überwiegend auf meinem Display und so swipe ich mich von Touristin zu Touristin.

Es passt! Glückwunsch, du hast ein neues Match!

Nachdem ich mir zwei Tage in Folge die Finger wund gewischt habe, klappt es endlich. Gleich fünf Frauen finden mich auf Grundlage eines drei Sekunden langen optischen Eindrucks irgendwie ein bisschen attraktiv – ein Gefühl der Erleichterung. Nachdem sich zwei der Matches auf ein einfaches „Hey, wie geht’s?“ nicht zurückmelden, wird mir klar, dass eine kreativere Gesprächseröffnung gefragt ist. Meine neue Strategie: ein unverfängliches „Hey, ich gehe gleich zum Supermarkt. Soll ich dir irgendwas mitbringen?“. Und es klappt tatsächlich. Mit drei weiteren Frauen komme ich ins Gespräch. Als ich jedoch nach einem Treffen frage, kommt keine Antwort mehr. Ich will schon aufgeben, als unerwartet eine Nachricht von Franzi* kommt. Sie will sich doch treffen, Freitag um 21 Uhr am Kotti.

Freitag 21 Uhr

Ich bin etwas zu früh und ein bisschen nervös, also zünde ich eine Zigarette an und warte. Wenig später steht sie wie aus dem Nichts vor mir. Wir umarmen uns zur Begrüßung. Franzi ist groß und schlank, trägt Dr. Martens und hat ein Nasenpiercing. Eigentlich genau mein Typ, denke ich. Ich schlage vor, zunächst in eine Bar mit Live-Musik zu gehen und Franzi ist einverstanden. Auf dem Hinweg unterhalten wir uns. Mein Date studiert an der TU in einem Studiengang, den manche wohl als „Männerdomäne” bezeichnen würden. Das beeindruckt mich.

Nach der Bar wollen wir noch weiterziehen. Wir holen uns Schnaps vom Späti, setzen uns in den Treptower Park und spielen „Ich hab’ noch nie, Ich war schon mal“. Eigentlich fühle ich mich für das Spiel zu alt, aber wenigstens geht der Schnaps so besser runter. Franzi will feiern gehen und nach kurzer Diskussion fällt die Wahl auf die Wilde Renate. Beim wummernden Techno vergesse ich, dass ich eigentlich gerade ein Experiment durchführe und der Alkohol übernimmt das Steuer. Wir tanzen eine Weile nebeneinander. Irgendwann dreht sich Franzi zu mir und küsst mich.

Drei Tage später

Wie es ihr geht, frage ich Franzi über WhatsApp. „Gut.”, schreibt sie und erwidert die Frage. Ich erzähle, dass ich für ein paar Tage meine Eltern besuche und will wissen, ob wir uns wiedersehen, wenn ich zurück in Berlin bin. Franzi antwortet nicht. Ich bin geknickt und frage mich gleichzeitig, ob das bedeutet, dass das Experiment geglückt ist. Schnell wird mir jedoch klar, dass diese Einschätzung wohl meinem Ego geschuldet ist. Zugegeben, wir haben einen verrückten und schönen Abend zusammen erlebt, aber verguckt habe ich mich nicht und Franzi sich – so scheint es – auch nicht.

*Damit unser Autor weiterhin ungestört tindern kann, veröffentlicht er hier unter einem Pseudonym. Seine Bekanntschaft heißt in Wirklichkeit ebenfalls anders.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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