Sexistische, sentimentale Kackscheiße

Victor Osterloh hat sich Wim Wenders Dokumentation „Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ angesehen und wird jetzt Priester. Außerdem findet er den Papst toll.

Papst Franziskus- Der vermeintliche Retter der Menschheit. Foto: Wikimedia Commons/ Illustration : Joshua Leibig

Sind es die frenetisch jubelnden Massen vor dem Petersdom? Die unfreiwillig komischen Szenen über das Leben von Franz von Assisi, gedreht in schwarz-weißer ZDF History Ästhetik? Oder das völlige Desinteresse eines Atheisten bei der Frage, ob Jesus sich nun gerade in der Kirche zuhause fühlt oder nicht? Was lässt mich mit einem dermaßen üblen Gefühl aus dem Kino wanken, wie es mir schon lange nicht passiert ist?

„Franziskus – Ein Mann seines Wortes“ heißt Wim Wenders neuer Dokumentarstreifen, der seit dem 14.Juni in den Kinos ist. Und in der Tat: Es sind eigentlich nur die Worte des Papstes, die den Zuschauenden über die gesamte Länge des Films vorgetragen werden. Acht Stunden hat Wenders Franziskus interviewt. Daraus wurden anderthalb, in denen der Papst erzählt, wie er die Welt sieht, dazu werbefilmreifes Bildmaterial des Vatikan Fernsehens. Auch der Auftrag für den Film kam von dort – genau genommen aus der Kommunikationsabteilung. Mehr Einmischung habe es laut Wenders aber nicht gegeben. Das kann man ihm ruhig glauben, heißt es im Umkehrschluss schlicht, dass er allein für seine Darstellung des Papstes verantwortlich ist.

Göttliche Gefühlsduselei

Der Film hat etwas Urbiederes. Es ist der Rückzug eines Filmemachers aus der Wirklichkeit in den warmen, behaglichen Schoß der katholischen Kirche. Die heile Welt der „Harmonie“. Die heterosexuelle Familie im Kleinen als das Abbild der Weltfamilie im Großen. Doch „Ein Mann seines Wortes“ ist vor allem ein sentimentaler Film über das Elend in der Welt, dem darauf keine bessere Antwort einfällt als „die Liebe“. Sentimentalität wirkt wie eine Nebelkerze, die reflektierte Kritik der Verhältnisse und die Erkenntnis von Ursachen verschleiert. Die Zuschauenden werden betäubt durch Bilder unendlichen Leids von untergehenden Flüchtlingsbooten, hungernden Menschen und zerstörten Städten. Sie hindern sie daran, zu fragen, warum diese Gewalt eigentlich existiert. In diesem Nebel bleibt nur eine Lichtgestalt übrig, die angesichts dieser apokalyptischen Welt noch Hoffnung spenden kann: Franziskus. Er, so Wenders im selbst gesprochenen Voiceover, habe als einziger die Antworten auf die Krisen unserer Zeit.

Toleranz ist keine Modeerscheinung

Ohne Frage: Wim Wenders ist als Bewunderer seines Protagonisten an diesen Film heran gegangen, wie es bei seinen Dokumentarfilmen üblich ist. Trotzdem wurde Wenders neuestes Werk größtenteils positiv besprochen. Doch auch die vereinzelte Kritik an Wenders unkritischer Haltung bleibt in seichten Gewässern, wenn sie dem Film vorwirft, die „anachronistischen Weltvorstellungen” von Kirche und Papst nicht zu reflektieren. Denn Homophobie, Misogynie, Rassismus und die Unterdrückung der Massen sind keine Frage des Zeitgeistes. Deshalb reicht es nicht, bloß von einer „nicht zeitgemäßen” Kirche zu sprechen. Als wäre es irgendwann mal in Ordnung gewesen und nur jetzt, wo „wir“ sozusagen „drüber hinweg sind“, da muss die Kirche sich eben „an der Realität der Menschen“ orientieren. Als wäre die Unterdrückung der Frau eben eine Phase von, zugegeben, zweitausend Jahren gewesen und kein Herrschaftsverhältnis. Als wäre die Verfolgung von Homosexuellen etwas, das eben jetzt aus der Mode gekommen ist und der Kirche schlecht steht, wie ein Sommerrock aus der vorletzten Saison.

Der Grundkonsens in der Kirche ist klar – auch die des, ach so aufgeklärten, Franziskus: Jede*r hat einen festen Platz in der Weltfamilie, in der Mann und Frau komplementäre Einheiten bilden und alles daneben keinen Platz hat. Wenn Papst Franziskus davon spricht, dass der Feminismus dem „Naturgesetz der Harmonie“ entgegenstehe, da er gegen die Einheit der Weltfamilie arbeite, dann sagt er das nicht nur, weil er so alt ist. Das ist nicht Opas krude Weltsicht, die man ruhig mit einem Schulterzucken und einem Schmunzeln zur Seite wischen kann. Das ist Staatsraison. Die Harmonie als Naturgesetz klingt schön im Kontext des Klimawandels. Geht es um Gesellschaft, wird es schon fast faschistisch.

Wim Wenders lässt das alles nicht einfach nur für sich stehen, er untermalt es sogar noch mit pathetischer Musik. Musik, die in diesem Film den emotionalisierenden Klangteppich für die Banalitäten aus dem Munde Franziskus bildet. Die Menschen sehnen sich nach dem Einfachen, dem Klaren doch die Welt ist nicht einfach, nicht harmonisch. Sie ist voller Widersprüche, die jeden Tag an unseren geistigen Grundfesten reißen. Das aber blendet Wenders aus; von einer Religionskritik ist da noch gar keine Rede. Aber die will man Wim Wenders, bei Gott, nicht überlassen.

Autor*in

FURIOS Redaktion

Unabhängiges studentisches Campusmagazin an der FU seit 2008

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