Viel war los in den Semesterferien nach dem außergewöhnlichen Sommersemester. Kira Welker und Julian Sadeghi haben das hochschulpolitische Geschehen verfolgt. Ein Rückblick in zwei Teilen.
Hybrid- oder Onlinesemester?
Noch kurz vor Beginn des Wintersemesters hoffte man an Berliner Hochschulen auf eine Mischung aus Online- und Präsenzlehrveranstaltungen. Dieses Konzept wurde unter dem Schlagwort „Hybridsemester” zusammengefasst: Man wolle „so viel Präsenzlehre wie möglich, so viel digitale Lehre wie nötig” anbieten, hieß es in der gemeinsamen Pressemitteilung. Vor allem Studienanfänger*innen und internationalen Studierenden wolle man die Möglichkeit geben, persönliche soziale Kontakte zu knüpfen.
Um dabei einen der Pandemiesituation angemessenen Infektionsschutz aufrechtzuerhalten, entwickelte der Berliner Senat einen Stufenplan. Dieser orientiert sich an der Corona-Ampel des Landes Berlin, die anhand von drei Indikatoren (Neuinfektionen, Reproduktionszahl R, Auslastung der Intensivbetten) anzeigen soll, wie kritisch die Pandemielage einzuschätzen ist. (Den aktuellsten Stand findet ihr hier.) Während auf Stufe 1 des Stufenplans unter Hygieneauflagen vereinzelte Präsenzlehre und -prüfungen, die Bibliotheksnutzung und der Mensenbetrieb möglich sind, entspricht Stufe 3 dem Präsenznotbetrieb, der im Frühjahr 2020 galt.
Mit dem Semesterstart Anfang November befinden sich die Hochschulen in Stufe 2. Damit wäre vereinzelte Präsenzlehre theoretisch möglich – das Präsidium der Freien Universität (FU) hat allerdings am 20. Oktober beschlossen, Präsenz nur für Formate zuzulassen, die digital absolut nicht möglich seien. Dies schließt Praktika und Laborübungen ein. (Hier sind die aktuell gültigen Regelungen aufgeführt.)
Prof. Hauke Heekeren, zuständiger Vizepräsident der FU, erläuterte diese Entscheidung letzte Woche im Akademischen Senat der FU: Man wolle angesichts der ungebrochen ansteigenden Infektionszahlen in Berlin alle Universitätsmitglieder dazu anhalten, zur Eindämmung der Pandemie beizutragen. Der digitale Semesterstart sei als ein Wellenbrecher zu verstehen; auch wolle man unbedingt verhindern, dass die Universität wieder in den Präsenznotbetrieb eintreten müsse. An der Forschung in Präsenz und der (eingeschränkten) Öffnung der Bibliotheken wolle die FU möglichst festhalten.
Ausweitung der Berliner Landeshilfen angekündigt
Um auf die weiterhin unsichere finanzielle Lage zahlreicher Studierender zu reagieren und die Teilnahme am zweiten Onlinesemester zu ermöglichen, hat die Berliner Landesregierung eine Mittelerhöhung für die landeseigenen Hilfsprogramme angekündigt. Sowohl der Fonds für Studierende in finanziellen Notlagen als auch die Unterstützung von Lehrenden und Studierenden bei der Anschaffung technischer Ausstattung für die digitale Lehre sollen im Wintersemester fortgesetzt werden.
Für die Nothilfe sollen 2 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden, der Technikfonds soll um 3 Mio. Euro aufgestockt werden. Auf Nachfrage teilte die Senatskanzlei für Wissenschaft und Forschung mit, die Gelder müssten noch vom Berliner Abgeordnetenhaus freigegeben werden. Sobald dies geschehen sei, plane man aber, im Laufe des Novembers die Beantragung über das Studierendenwerk zu öffnen und mit der Auszahlung zu beginnen.
Forderung nach einem „Solidarsemester”
Verschiedene Interessenvertretungen formulierten aus den Erfahrungen des Sommersemesters heraus Vorschläge, wie im kommenden Semester ein Studium unter Pandemiebedingungen gestaltet werden könnte. So initiierte der Freie Zusammenschluss von Student*innenschaften einen Forderungskatalog für ein Solidarsemester, dem sich bundesweit zahlreiche Asten, Fachschaften und Parteijugenden angeschlossen haben. Sie dringen unter anderem auf eine stärkere finanzielle und soziale Absicherung von Studierenden und verbesserte Arbeitsbedingungen für Hochschulmitarbeiter*innen.
Ein von Berliner Studierendengruppen formulierter offener Brief „Studieren in der Krise” sammelte Forderungen für bessere Lehre im Wintersemester – sowohl durch verantwortungsvoll gestaltete Präsenzlehre, für die alle verfügbaren Raumkapazitäten genutzt werden sollten, als auch Verbesserung der Onlinelehre durch kleinere Kurse und angemessene Leistungsnachweise. Der Brief bezieht sich dabei auch auf eine von Hochschuldozent*innen gestartete Petition „Zur Verteidigung der Präsenzlehre”.
Verhandlungen über die Zukunft des Semestertickets stocken
Seit dem Spätsommer laufen die Verhandlungen über die Zukunft des Semestertickets ab dem Sommersemester 2021. Dafür gründete sich im Juli die Interessengemeinschaft IGSemtixBBB, der sich die verfassten Studierendenschaften und Semesterticketbeauftragten der meisten Hochschulen in Berlin und Brandenburg angeschlossen haben. Doch die Verhandlungen stocken.
Laut dem Semesterticketbeauftragten der FU, Fabian Bennewitz, sieht das letzte Angebot des Verkehrsverbunds Berlin Brandenburg (VBB) eine Preissteigerung von gut drei Prozent vor. In einer Pandemiesituation werde man jedoch keiner Preiserhöhung zustimmen, so Bennewitz. Auch sei seit Beginn der Pandemie die Nutzung des Semestertickets stark zurückgegangen. Die Interessengemeinschaft fordert die Einführung eines 365€-Tickets. Für Azubis gibt es ein solches Ticket bereits.
Erschwerte Einreise für ausländische Studierende
Verschärfte Einreisebedingungen aufgrund der Coronapandemie treffen auch Studierende aus dem Nicht-EU-Ausland, die zum Wintersemester ein Studium in Deutschland aufnehmen wollen. So wurde im Sommer viel über eine Regelung diskutiert, nach der Studienvisa nur an diejenigen Bewerber*innen vergeben werden sollten, die nachweislich Präsenzveranstaltungen in Deutschland besuchen müssten. Die FU kündigte jedoch an, Studienanwärter*innen den Nachweis pauschal ausstellen zu wollen.
Ein größeres Problem bereitet hingegen die rechtzeitige Bearbeitung der Visumsanträge. Noch kurz vor Semesterbeginn berichteten Bewerber*innen von Problemen, überhaupt einen Termin in deutschen Botschaften zu erhalten, da diese in stark eingeschränktem Betrieb arbeiteten. Der Bundesverband ausländischer Studierender kritisierte diese Verzögerungen scharf und forderte „flexible Lösungen für eine schnelle Visavergabe”.
Den ersten Teil der politischen Rückschau findet ihr hier.
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