Immer der Nase nach

Wir sollten viel häufiger an Mumien riechen, sagt die Ägyptologin Dora Goldsmith im Gespräch mit Anne Stiller. Denn der Geruch von Mumien hat eine große Bedeutung für das Wissen über das alte Ägypten. 

Zwei Gerüche des alten Ägyptens: „Duftstoffe der Einbalsamierung” (links) und „Der Duft der Särge” (rechts). Ziehe den Pfeil jeweils nach links und rechts für die komplette Ansicht! Foto: Dora Goldsmith 

Der erste Hinweis, den Dora Goldsmith gibt, wenn sie von ihrer Forschung erzählt, lautet: „Vergiss, was für dich angenehm und gut riecht.“ Die Ägyptologin an der Freien Universität befasst sich im Rahmen ihrer Promotion mit Düften und Gerüchen im alten Ägypten und untersucht deren kulturanthropologische Bedeutung.

Archäologie zum Riechen

Den Großteil ihrer Zeit verbringe sie in Bibliotheken, sagt Dora Goldsmith. Auf Basis alter Texte stellt sie Düfte und Parfüms her, die im alten Ägypten genutzt wurden. „Über unsere Sinne können wir alte Kulturen erleben und sie zurückbringen“, erklärt sie. Man müsse aber ausblenden, was die eigene Nase als angenehm empfinde.

Der Geruch eines archäologischen Gegenstandes wird ihr zufolge zu selten in wissenschaftlichen Arbeiten aufgegriffen. Damit wird aber großes Potential verschenkt, denn Gerüche können Forschenden konkrete Fakten über das Leben in der Antike verraten. Wie eine Mumie riecht, gebe Auskunft darüber, mit welchen Stoffen sie einbalsamiert und wie sorgfältig dabei gearbeitet wurde.

„Wenn eine Mumie nach 4000 Jahren noch duftet – sich also kein Leichengestank ausgebreitet hat – wurde sie mit den hochwertigsten Materialien einbalsamiert. Das lässt den Rückschluss zu, dass es sich um eine angesehene Person handelte, zum Beispiel um eine Königin oder einen König“

Dora Goldsmith

„Im alten Ägypten gab es eine klare olfaktorische Hierarchie“, sagt Dora Goldsmith. Düfte und Parfüms hätten vermittelt, wer zu einer bestimmten sozialen Schicht gehört habe. „Ein König hatte in seinem Palast ein eigenes Lager für die teuersten Duftstoffe und Parfüms“, erläutert die Ägyptologin. Verschiedenste Harze wie Styrax, Myrrhe, Kampfer – all das diente im alten Ägypten dazu, gut zu riechen. „Das meiste musste jedoch importiert werden. Deshalb waren viele Stoffe unfassbar wertvoll.“

Kampfer beispielsweise, ein weißes, kristallförmiges aus Kampferbäumen gewonnenes Pulver, hatte einen ähnlichen Wert wie Silber und Gold und war Bestandteil eines Parfüms namens ti-Sps, in dem die Menschen ihre Kleidung tränkten. „Im alten Ägypten galt der Geruch von ti-Sps als anziehend und sexy.“

„Der Duft der Einbalsamierung” (Ziehe den Pfeil jeweils nach links und rechts für die komplette Ansicht!) Foto: Dora Goldsmith Montage: FURIOS Wissenschaft

Der Geruch von Glaube und Gesundheit

Zudem war Kampfer in der Duftmischung Kyphi enthalten. Sie galt als Heilmittel und wurde unter anderem genutzt, um den Geruch im eigenen Heim zu verbessern. Eine Unterscheidung zwischen Medizin und Parfümerie gab es im alten Ägypten nicht. „Die Ägypter*innen verbanden Gestank mit Krankheit“, sagt Dora Goldsmith. 

Auch im Glauben spielten Gerüche und Düfte eine große Rolle. Den Geruch von geröstetem Fleisch während Opfergaben in Tempeln etwa hätten die Menschen mit Triumph und Frieden assoziiert. „Der Fleischgeruch stand symbolisch für die Feinde des ägyptischen Reichs, die so auf dem Altar geschlachtet und geröstet wurden.“

Angenehme Gerüche wie die von Blumen, Honig oder verschiedensten Salben sollten die Götter in ihre Tempel locken. „Wenn sich die Götter in den Tempeln befinden, herrscht Frieden in Ägypten“, erklärt die Doktorandin.

Ein Fläschchen Kultur

Bei ihrer Forschungsarbeit geht Dora Goldsmith auch praktisch zu Werke. „Ich möchte verstehen, wie die Ägypter*innen die Welt durch Gerüche wahrnahmen und welche Empfindungen ein bestimmter Duft bei ihnen auslöste“, erklärt sie.

Gemeinsam mit dem Philologen Sean Coughlin von der Humboldt-Universität hat die Ägyptologin einen der begehrtesten Düfte in der antiken Welt nachgestellt: das Mendesische Parfüm, benannt nach der Stadt Mendes im östlichen Nildelta. Bereits zur Zeit der Pharaonen war der Duft sehr begehrt. „Aus lateinischen und griechischen Texten wissen wir, dass das Mendesische Parfüm auch in der Spätantike, also nach dem Untergang des alten Ägyptens, sehr berühmt war.”

Die Ursprünge des Parfüms gingen, vermutet sie, zurück bis in die Zeit des Alten Reichs, also etwa 2700 bis 2200 v. Chr. Als Basis für den Duft verwendeten die Ägypter*innen Moringaöl und Myrrhe. Ab dem Neuen Reich, in der Zeit von 1550 bis 1070 v. Chr., wurde die Mischung um Kampfer ergänzt. „Hathor, die Göttin der Liebe und Sexualität, wurde stark mit dem Duft assoziiert“, erklärt Dora Goldsmith. Die kulturelle Bedeutung fände sich jedoch nicht mehr in den griechischen und lateinischen Texten.

Profession: Riechen

„Das Interesse am alten Ägypten ist auch außerhalb der Wissenschaft groß“, sagt Dora Goldsmith. Mit ihrer Arbeit wolle sie das Wissen um das kulturelle Erbe aus dieser Zeit zugänglich und erfahrbarer machen. „Ich glaube, manche Wissenschaftler*innen denken, dass es unseriös ist, an Gräbern oder Mumien zu riechen. Das ist schade. Wir sollten unsere Nasen häufiger benutzen. Das ist absolut professionell.“

„Der Duft der Särge” (Ziehe den Pfeil jeweils nach links und rechts für die komplette Ansicht!) Foto: Dora Goldsmith 

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